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Brief vom 7. Januar 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1085.


[009]
Paris den 7 Januari 1720, umb 3/4 auff 8 abendts.
Hertzallerliebe Louise, ich habe daß opera quittirt, umb herzukommen, Eüch zu entreteniren. Weiß[1] mirs keinen danck! den es ist gar kein sacrifice, so ich Eüch thue; ich bins so müde, alß wen ichs mitt löfflen gefreßen hette[2]. Ich bin im prologue undt ersten acten geweßen auß complaisance; den madame d’Orleans will nicht, daß ihre dochter ohne mich ins opera gehen; drumb bin ich nein, habe ihnen weiß gemacht, ich würde wieder kommen, bin aber mitt freüden außgeblieben. Ich habe schon 5 brieff fertig, einen ahn Churpfaltz, einen an die königin von Preussen, ahn dem jungen landtgraffen von Darmstatt undt monsieur Harling, die gräffin Nassau Sarbrücken. Ich habe noch ahn mein dochter undt ihre 5 kinder zu schreiben; der kinder ihre werden kurtz werden, wie Ihr leicht gedencken könt. Ich will Eüch aber erst entreteniren, liebe Louise, undt meinen möglichsten fleiß ahnwenden, in aller eyll auff waß mir noch von Ewerm letzten brieff überig ist, zu andtwortten. Ich hatte gehofft, heütte e[t]waß von Eüch zu bekommen, aber da ist schon daß zweytte mahl, daß die post kompt ohne Ewere brieffe, liebe Louise! Ich weiß nicht, wie es kompt. Solte noch eine post vorbeygehen, ohn[e] daß ich waß von Eüch bekommen solte, würde mir gantz bang bey der sach werden. Gott bewahr mich davor! Ich komme auff Ewer liebes schreiben. Ich war ahn monsieur LeFevre geblieben. Er wirdt Eüch sagen können, daß ich continuire, mein bestes vor der sach von Coupert[3] zu [thun]. Ich bin stoltz, daß monsieur Le Fevre sagt, daß ich verstandt habe; den man kan nicht mehr verstandt haben, alß er hatt. Aber er sagt [010] daß nur von mir, umb sein cour bey Euch zu machen. Mir ein hohes alter zu wünschen, ist, mir nur ellendt undt qual zu wünschen; den ich bin schon genung mitt meinem alter beschwerdt, könte mir nicht leydt sein, wen mich gott zu sich nehm[4] undt ein seeliges endt verliehe. Ich wünsche undt verlange nichts in dießer weldt undt kan ich mitt warheit sagen, daß ich daß leben zimblich satt bin. Unßere marechalle de Clerembeau[5] hatt verwichenen 3ten November 85 jahr erreicht. Sie hatt noch daß gedächtnuß, alß wie sie 40 jahr alt war, undt ihren verstandt noch gantz, wie sie ihn gehabt hatt; jedoch sehe ich, daß sie schier allen leütten überlestig ist umb nichts, alß umb ihr alter; daß verleydt mir daß alter. Waß hir jetzt die groste moden ist, ist schleüniges sterben. He[u]tte morgen ist ein colonel de cavallerie in meines sohns antichambre gestorben. Ich habe ihn, gott lob, gar nicht gekendt; ist zweymahl wider zu sich selber kommen, aber doch nicht gantz perfect. Man hatt i[h]m emetique[6] geben, ader gelaßen, nichts hatt geholffen, er ist gestorben[7]. Daß ist jetzt gar gemein hir. Ich bin nicht persuadirt, daß caffé, the undt chocolat leütte, so nicht Indianer sein, gesundt ist[8]. Wen man daß leben recht betracht, ist es nicht recht zu wünschen. Wenig schlaffen thut mir nichts, ich wer sonst schon lengst … Es solte mir woll hertzlich leydt sein, wen ich schultig solte sein, daß Ihr Eüch übel befinden soltet. Ich wolte gern noch lenger blauttern, aber es ist schon halb 10. Ich hin interompirt worden, muß also jetzt, umb nicht nicht gar zu spätt schlaffen zu gehen, ahn mein dochter schreiben. Glückseelige gutte nacht! Seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalten!
P. S.
Hirbey werdt Ihr einen brieff von madame Dangeau vor ihre fraw schwester finden.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. Januar 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 9–10
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1085.html
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