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Brief vom 16. Mai 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1328.


[395]
St Clou den 16 May 1722 (N. 91).
Hertzallerliebe Louise, ich habe noch zwey von Ewern lieben schreiben zu beantworten vom 25 undt 28 April, no 31 undt 32; daß hoffe ich heütte gantz außzuschreiben. Es regnet, daß es platz[t], kan also heütte nicht außfahren; ich werde auch nicht nach Madrit, den ich schonne mich vor morgen, weillen ich noch ein wenig schwag[1] bin, undt morgen muß ich nach Paris, wo ich gar viel vissitten abzulegen habe, erstlich ahn unßerm herrgott, den ich muß woll morgendts in die kirch, hernach zum könig, zu der infantin, von dar au Palais-Royal zu madame la duchesse d’Orleans, von dar ahn taffel. Nach dem eßen werde ich zu madame la princesse, zur jungen printzes de Conti, zu madame la duchesse, zu deß printz de Conti fraw mutter, ihnen allen daß leydt zu klagen über deß jungen ducs de Mercoeur todt, sollen sehr betrübt sein; daß jammert. Ich hatte daß arme kindt gesehen, gliche seinem herrn vatter wie zwey tropffen waßer. Wehret daß wetter morgen wie heütte, wirdt unß der staub nicht incommodiren. Es ist aber auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme. Gibt mir gott leben undt gesundtheit biß auff zukünfftigen donn[e]rstag, werde ich mein 70 jahr ahnfangen mitt Eüch, liebe Louise, undt Eüch regenschafft[2] von unßer morgenden reiß geben. Aber nun komme ich auff Ewer liebes schreiben vom 25 April, no 31. Ich weiß nicht, was vor eine lust man auff der post haben kan, die brieffe alß zwey undt zwey zu geben; mitt der printzes von Wallis schreiben macht man mirs jetzt eben so. Daß ist gewiß, daß meine gesundtheit gutt ist, wen ich nichts [brauche]; aber seyder mein aderlaßen undt purgiren kan ichs mich nicht berühmen, schlaffe eine nacht woll, die ander übel, mein apetit kompt nicht wieder, bin [396] matt, habe schmertzen in den knien, offt grampff in den beinen, suma, es ist mir gar nicht recht. Die zeit wirdt lehren, waß drauß werden soll, ob es beßer oder schlimmer wirdt; in allem fall werde ich Eüch, liebe Louise, allezeit berichten, wie es mitt mir stehet, werde unterdeßen meinen alten schlendrian forth gehen. Man hört überall von viel krancken nun; madame de Chausseray[e] hatt seyder 8 tagen daß continuirliche fieber mitt redoublementen. Es ist ihre schuldt, sie kan ihren apetit nicht zwingen, hatt sich 3 tag lang kranck ahn warme milch gefreßen, wie sie daß fieber, so sie gar starck hatt … Einen von meinen controleurs hatt man auch vergangen mittwoch mitt dem fieber nach Paris geführt. Gestern stundt Harling da bey mir ahm tisch; auff einmahl stieß ihn der frost ahn, hernach kame die hitze, so er die gantze nacht gehabt, doch nun ohne fieber, wirdt nach aller aparantz ein 3tagig fieber werden. Ich dancke Eüch gar sehr, liebe Louise, fleißig vor mich zu betten, ich habe es hoch von nohten[3]. Zur[4] zeitlichen glück habe ich nichts mehr von nohten, daß ist auß. Erhelt mir gott der allmachtige nur meine kinder, so bin ich schon zufrieden; aber vor die ewige wollfahrt habe ich es gar hoch von nohten, wie auch vor meinen sohn, daß ihn gott bekehren mag, welches die eintzige freüde ist, so ich von gott vor mich selbst wünsche. Ich glaube nicht, daß man so woll in geistlichen, alß weltlichen personnen in gantz Paris hundert menschen findt, so einen rechten christlichen glauben haben, ja gar ahn unßern erlößer glauben; daß macht mich schaudern, wen ich dran gedencke. Ich hatte es der jungen printzes de Conti widerrahten, proces gegen ihren herrn ahnzufangen. Madame la princesse unß[5] unßere gutte hertzogin von Hannover wahren meiner [meinung], auch gar madame la duchesse, ihre fraw mutter; sie hatt aber lieber andern raht gefolgt. Gott gebe, daß sie sich woll dabey befinden mag! Man hatt sie in ein closter relegirt, so mir gar nicht unbekandt ist, den es ist le Port-Royal, wo ich so lange jahren meine nachmittags mitt der armen madame de Beuveron[6], so ich alß Theobon geheißen, zugebracht habe. Es wirdt mir andt nach deren zeit thun, wen ich hinein werde. Aber da kompt mein enckel, unßere abtißin, ahngestochen, muß also hiemitt eine pausse machen. Dießen abendt, wen die abtißin wider [397] weg sein wirdt, werde ich diesen brieff vollendts außschreiben, mich aber nun ahnziehen, umb mitt unßer gravitatischen abtißin zu eßen. Dieße gravittetische abtißin dautze ich doch immer, ihre nonen grümen daß maul drüber, aber ich frage kein haar nach undt unßere abtißin lacht drüber, daß sie sich die seytten helt. Aber da schlegt es 11, ich muß mein pausse machen.
Sambstag, den 16 May, umb halb 5 abendts.
Meine abtißin ist wider fort, nun will ich Eüch, liebe Louisse, entreteniren, biß wir ins abendts-gebett gehen, undt nach dem abendt-gebett werde ich Eüch wieder entreteniren, biß Ewer brieff außgeantwortet sein wirdt. Großer standt bindert nicht, sein herren unterthan zu sein; aber daß können undt wollen die frantzösche weiber gar nicht begreiffen, drumb seindt auch so viel böße ehen hir im landt. Man hatt mir vorgestern gesagt, daß der junge prieder[7] so wegen mademoiselle de Sens zum naren worden undt den beichts-vatter vom closter erschoßen[8], seine sach gantz außgemacht worden; ich habe aber noch nicht erfahr[e]n, ob er zum todt verurtheilt ist worden oder nicht. Die tbat ist abscheülich, daß ist gewiß, aber kan man auch einen narrn mitt dem todt straffen, wen er etwaß närisch thut? Wen ich erfahren werde, wie es abgangen, werde ichs Eüch berichten, liebe Louise! Der arme teüffel hatte so woll studirt undt konte so gutt Latin, drumb batt man ihn zu dießer printzessin gethan, er war von den pristern im hauß. Es ist schlegt aparentz, daß er sein leben wider zu seinem verstandt kompt. Einen beichts-vatter, so man ihm expresse schickt, umb ihn wieder den kopff zurecht zu stellen, daß er den so mauß-todt schiest, ist doch etwaß abscheüliches. Ich habe doch lachen müß[en], daß er überlautt dazu geruffen: Il n’y a point de mal de tüer son rival. Monsieur le Fevre wirdt mir auß Bourbon außschreiben, waß in Ewern niepcen affairen zu thun ist. Daß werde ich fleyßig nach kommen in allem undt werde mir allezeit ein vergnügen machen, wen ich Eüch, liebe Louise, oder die Ewerigen werde dinen können, hertzliebe Louise! Ich werde nichts mehr von der Franckforter meß sagen, noch von den assambléen dort, weillen nun alles zum endt ist. Die vielle tische mitt cartten-spiel werden den [398] herren cammerdinern nicht übel gefallen haben, die gewinen ordinari ahm meisten darbey; die die banquen in den bassetten[9] [halten], seindt ordinarie die, so ahm meisten gewinen. Kein mensch weiß hir, daß der landtgraff von Darmstatt hir geweßen. Daß ich die ehre nicht gehabt habe, I. L. zu sehen, ist mir leydt, allein souvereins können ihr leben nicht beßer thun, alß gantz incognito in Franckreich zu kommen, wen man es ja sehen will. Ich bitt Eüch, wolt doch ahn dieße beyde herrn, alß unßer pfaltzgraffen von Birckenfelt undt landtgraffen von Darmstat meine dinstliche dancksagung zu verrichten[10] vor dero ahndencken! Wie ich deß landtgraffen brieff entpfing, war ich selber so kranck, daß ich ohnmoglich antwortten konte. Hernach hatt mich meines enckels undt na[c]h ihm mein[e]s sohns abscheüliche kranckheit so troublirt, daß ich blat herauß gestehen muß, daß ich durchauß vergeßen, daß ich einen brieff vom erbprintz von Darmstatt zu andtwortten hatte. Diß ist die prure[11] warheit. Ich glaube, wen meines sohns kranckheit lenger gewehrt hette, were ich narisch worden. Ich bitte umb verzeyung, weiß nicht, wo der brieff hin komen ist. Ich dachte woll, daß es mein sohn nicht sein konte, so jar[12] die jagt nicht [liebt], auch jetzunder ke[i]ne zeit zu hatt. Es ist kein wunder, daß mich der landtgraff nicht zu St Clou ahngetroffen, den ich glaub, ich war damahls zu Paris. Wen man mich in St Clou im bett ahntreffen will, muß man vor 5 uhr in mein camer kommen, den ich stehe alle tag umb halb 6 auff. Ihr köndt den landtgraffen versichern, daß ich gar nicht böß auff I. L. bin undt es auch kein ursach habe. Vor daß email von pfalzgraff Johan dancke ich noch sehr. Aber da sagt mir Wendt, daß mein eßen komen, ich muß auff[hören]. Ewer liebes schreiben ist doch vollig beantwort, bleibt mir nichts mehr über[i]g zu sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte biß ahn mein endt.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Mai 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 395–398
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1328.html
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