Seitenbanner

Brief vom 21. Mai 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1329.


[398]

A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 21 May 1722 (N. 96).
Hertzallerliebe Louise, gestern bin ich mitt Ewer liebes [399] schreiben vom 12 May erfreüet worden, worauff ich alleweill andtwortten werde. Aber da sehe ich madame la princesse herrein fahren; daß wirdt mich noch lang auffhalten, vielleicht werde ich nicht auff Ewere 2 schreiben andtwortten konnen, wie mein intention war, aber auff einen[1] werde ich doch gar gewiß andtworten. Aber [jetzt] tritt madame la princesse in die cammer mitt madame la princesse de Conti undt mademoiselle de Clermont. Da schlegt es eben 8 undt madame la princesse geht weg. Sie wirdt morgen nach Maubuisson, die fest über ins closter bleiben. Da werde ich mein leben nicht mehr hin, es thet mir gar zu andt nach meiner armen tanten[2]. Die printzes de Conti wirdt morgen auch ins Port-Royal. Aber es ist auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme. Es ist mir lieb, daß Ewer reißgen woll undt glücklich abgegangen. Der docktor war freyllig bey mir, wie ich ader gelaßen, undt so woll, daß, wen er undt einer von meiner cammerdinner[3] den balbirer nicht gehalten undt weg geführt, wer er hübsch auff mich gefallen, war gantz wie ein todter mensch, stare augen, kendte nichts in der welt, abscheülich war er[4]; were auch seyder dem bey einem haar gestorben, nun ist er außer gefahr undt seine arme fraw licht[5] auff den todt. Wie man ihr ihren man so gar kranck nach hauß [brachte], wuste sie kein wordt davon, hatte just ihre zeit, erschrack so erschrecklich, daß ihre zeit gleich auffhorte, undt sie ist todt-kranck drauff geworden. Ihr wist nicht, liebe, wie es hir [ist]; wie alle chargen [ge]kaufft undt verkaufft werden, will keiner in deß andern chargen greiffen. Es war freyllich waß mehrers, alß eine migraine; es war ein gutt hitzig fieber, so erst nun auffgehalten. Delicat ist der arme Carer, so heist der balbirer, daß ist gar gewiß. Meine gesundtheit ist noch nicht zum besten, ich weiß nicht, wen ich wieder zu kräfften kommen werden, aber bißher bin ich es gar gewiß noch nicht; aber in dießer wie auch in viel andere sachen muß man woll gedult faßen, die in viel andere sachen … Gleich habe ich meine mattigkeit nicht entpfunden, aber es hatt taglich zugenohmen. Ich weiß nicht, ob ich viel bludt habe, aber man lest mir nie zur ader, ohne daß ich 3 wochen in [400] der mattigkeit ver[bleibe]. Allerhandt remedien seindt mir allezeit schadt. Wir haben daß schonne wetter nur seyder 2 tagen hir. Die nachtigallen singen undt schlagen hir bey weytten nicht so woll, alß in Teütschlandt[6]. Alle thier seindt hir schwacher, alß bey unß. Aber ich muß auffhoren, man will, daß ich eßen undt nach bett solle, den es ist spatt Adieu! Übermorgen ein mehrers, jetzt nur sagen, daß, in welchem standt ich sein mag, behalte ich Eüch von hertzen lieb.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Mai 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 398–400
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1329.html
Änderungsstand:
Tintenfass