[445]
A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.
St Clou den 8 Augusti 1722 (N. 18).
Hertzallerliebe Louise, ich hatte gehofft, auffs wenigst einen
gutten ahnfang zu machen können auff Ewer liebes schreiben vom
28 Julli, no 54. Aber wie daß Sprichwort sagt:
L’homme
propose et dieu dispose,
so ist es mir auch gangen. Den gleich nach
dem eßen bin ich entschlaffen, welches kein wunder ist, den ich
habe gar nicht woll dieße nacht geschlaffen, auch wenig geßen.
Gestern aß ich ein wenig beßer, heütte aber ist es gar schlapies
her[gegangen]. Aber da kommen meine kutschen in den hoff, will
ein wenig frische luff[t] schöpffen, umb zu sehen, ob mir diß nicht
die abscheüliche vapeurs abschlagen könte.
Sambstag, den 8 Aug[usti], umb halb 9 abendts.
Ich bin umb 7 herkommen von Madrit undt habe gedacht, biß
9 zu schreiben können, allein ich habe madame la duchesse
d’Orleans undt ihren sohn hir gefunden, die gehen in dießem
augenblick wieder weg. Ich werde doch noch suchen, Eüch ein par wordt
auff Ewer letztes schreiben waß zu sagen, so übel es mir auch heütte
ist. Von der post werde ich nichts sagen, den es ist gar zu
gemein, daß Ihr eine post meine brieff[e] entpfangt undt die ander nicht.
Ich bin weitt davon, liebe Louise, wider gantz gesundt zu sein;
die zwey letzte medecinen haben mich
[1] schir den garauß geben, ich
bin ärger, alß nie. Ich weiß nicht, waß entlich auch
[2] dießem allem
werden wirdt; es wirdt gehen, wie es gott will, ich bin in keinen
sorgen deßwegen. Weder medecin, noch wermuth-wein hilfft nichts.
In meinem alter ist keine starcke gesundtheit mehr zu hoffen. Aber
last unß von waß anderst reden! dißes ist zu langweillig. Man
sagt mirs nicht, aber ich sehe woll, daß man förcht, daß auß der
geschwulst von meinen beinen eine waßersucht werden wirdt,
welches auch woll geschehen könte, weillen I. G. s. meine fraw mutter
dran gestorben. Stirb ich ahn der waßersucht, so stirb ich ahn
keine andere kranckheit. Es mag gehen, wie gott will. Von so
[446]
viel geschwollene füße, alß man nun hört, hatt ich mein tag nicht
gehört. Man ist allezeit ohne façon zu Hannover geweß[en], ob
unßer liebe churfürstin zwar es lieber anderst gesehen hette. Aber
oncle s. war so particulir, sehe, daß der könig, sein herr sohn, es
nicht beßer macht. Ihr werdt auß meinem letzten brieff ersehen,
daß man hir noch viel dollere historien hatt, alß die fürstin von
Nassau-Siegen immer haben mag. Aber ich glaube, wen die fürstin
undt ihr herr sich gefunden hetten, würden sie einander so
freündtlich entpfangen haben, wie Strabon undt Gallantis
[3] in der
commedie von Democritte
[4]. Ihr gewindt, liebe Louise, daß der fürst
von Siegen nicht mitt Eüch spricht, den er stinkt gotts-jemerlich.
Monsieur André ist weit davon jetzt, seinem vatter, noch wer es
auch sein mag, beyzustehen. Wie gewunen, zu
[5] entronen. Er
hatt der Suson
[6] ihres mans dochter geheüraht, welche von meinen
cammer-weibern ist undt ihrer stieffmutter survivance hatt. Meine
hoffmeisterin, die duchesse de Brancas, hatt ihrem jüngsten sohn
deß Andrée dochtergen, ein kindt von 4 jahren, versprochen. Aber
ich glaube nicht, daß der heüraht halten wirdt, weillen, wie schon
gesagt, er all sein reichthum wieder verthan. Dazu, wen noch waß
überig bleiben solte, wirdt [es] der marquis d’Oise woll nicht auß
den händen laßen
[7]. Wen also, wen Ewer patgen kein ander
geschenk hatt, alß von monsieur André, wirdt es lang hencken.
Niemandts in der welt hatt mehr undt schonner gemehls
[8], alß mein
sohn; er hatt der konigin Christine gantz cabinet gekaufft, so sie
zu Rom gehabt undt welches sehr estimirt geweßen, wie Ihr woll
werdt gehort haben. Ich habe offt gehort, daß Merians
kupfferstück mehr estimirt, alß seine gemehls. Hiemitt ist Ewer liebes
schreiben doch vollig beantwort, bleib[t] mir nichts mehr überig,
[447]
alß Eüch zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.