Seitenbanner

Brief vom 8. August 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1351.


[445]

A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 8 Augusti 1722 (N. 18).
Hertzallerliebe Louise, ich hatte gehofft, auffs wenigst einen gutten ahnfang zu machen können auff Ewer liebes schreiben vom 28 Julli, no 54. Aber wie daß Sprichwort sagt: L’homme propose et dieu dispose, so ist es mir auch gangen. Den gleich nach dem eßen bin ich entschlaffen, welches kein wunder ist, den ich habe gar nicht woll dieße nacht geschlaffen, auch wenig geßen. Gestern aß ich ein wenig beßer, heütte aber ist es gar schlapies her[gegangen]. Aber da kommen meine kutschen in den hoff, will ein wenig frische luff[t] schöpffen, umb zu sehen, ob mir diß nicht die abscheüliche vapeurs abschlagen könte.
Sambstag, den 8 Aug[usti], umb halb 9 abendts.
Ich bin umb 7 herkommen von Madrit undt habe gedacht, biß 9 zu schreiben können, allein ich habe madame la duchesse d’Orleans undt ihren sohn hir gefunden, die gehen in dießem augenblick wieder weg. Ich werde doch noch suchen, Eüch ein par wordt auff Ewer letztes schreiben waß zu sagen, so übel es mir auch heütte ist. Von der post werde ich nichts sagen, den es ist gar zu gemein, daß Ihr eine post meine brieff[e] entpfangt undt die ander nicht. Ich bin weitt davon, liebe Louise, wider gantz gesundt zu sein; die zwey letzte medecinen haben mich[1] schir den garauß geben, ich bin ärger, alß nie. Ich weiß nicht, waß entlich auch[2] dießem allem werden wirdt; es wirdt gehen, wie es gott will, ich bin in keinen sorgen deßwegen. Weder medecin, noch wermuth-wein hilfft nichts. In meinem alter ist keine starcke gesundtheit mehr zu hoffen. Aber last unß von waß anderst reden! dißes ist zu langweillig. Man sagt mirs nicht, aber ich sehe woll, daß man förcht, daß auß der geschwulst von meinen beinen eine waßersucht werden wirdt, welches auch woll geschehen könte, weillen I. G. s. meine fraw mutter dran gestorben. Stirb ich ahn der waßersucht, so stirb ich ahn keine andere kranckheit. Es mag gehen, wie gott will. Von so [446] viel geschwollene füße, alß man nun hört, hatt ich mein tag nicht gehört. Man ist allezeit ohne façon zu Hannover geweß[en], ob unßer liebe churfürstin zwar es lieber anderst gesehen hette. Aber oncle s. war so particulir, sehe, daß der könig, sein herr sohn, es nicht beßer macht. Ihr werdt auß meinem letzten brieff ersehen, daß man hir noch viel dollere historien hatt, alß die fürstin von Nassau-Siegen immer haben mag. Aber ich glaube, wen die fürstin undt ihr herr sich gefunden hetten, würden sie einander so freündtlich entpfangen haben, wie Strabon undt Gallantis[3] in der commedie von Democritte[4]. Ihr gewindt, liebe Louise, daß der fürst von Siegen nicht mitt Eüch spricht, den er stinkt gotts-jemerlich. Monsieur André ist weit davon jetzt, seinem vatter, noch wer es auch sein mag, beyzustehen. Wie gewunen, zu[5] entronen. Er hatt der Suson[6] ihres mans dochter geheüraht, welche von meinen cammer-weibern ist undt ihrer stieffmutter survivance hatt. Meine hoffmeisterin, die duchesse de Brancas, hatt ihrem jüngsten sohn deß Andrée dochtergen, ein kindt von 4 jahren, versprochen. Aber ich glaube nicht, daß der heüraht halten wirdt, weillen, wie schon gesagt, er all sein reichthum wieder verthan. Dazu, wen noch waß überig bleiben solte, wirdt [es] der marquis d’Oise woll nicht auß den händen laßen[7]. Wen also, wen Ewer patgen kein ander geschenk hatt, alß von monsieur André, wirdt es lang hencken. Niemandts in der welt hatt mehr undt schonner gemehls[8], alß mein sohn; er hatt der konigin Christine gantz cabinet gekaufft, so sie zu Rom gehabt undt welches sehr estimirt geweßen, wie Ihr woll werdt gehort haben. Ich habe offt gehort, daß Merians kupfferstück mehr estimirt, alß seine gemehls. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben doch vollig beantwort, bleib[t] mir nichts mehr überig, [447] alß Eüch zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. August 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 445–447
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1351.html
Änderungsstand:
Tintenfass