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Versaille den 29. December 1701.
… Ich bin gewiß, daß E. L. nicht so viel ronsellen
[1] haben, alß
ich; mir kompts, daß ich so offt undt manche jahre bin auff der jagt von
der sonnen verbrent worden; aber ich frage gantz undt gar nichts darnach,
bin nie schön geweßen, habe also nicht viel verlohren, undt ich sehe, daß die,
so ich vor dießem so schön gesehen habe, jetzt eben so heßlich sein, alß ich:
mad. de la Valliere
[2] kan kein seelenmensch mehr kenen, mad. de Montespan
[3]
hatt ihre gantze hautt alß wenn die kinder künsten mitt papir machen undt
es klein zusammen legen, denn ihr gantz gesicht ist gantz voller kleinen
runtzellen ahn einander, daß es zu verwundern ist; ihre schöne haar seindt
schneeweiß undt das gantze gesicht ist roht, also gar nicht schön mehr, ich bin also
gantz getröst, nie gehabt zu haben, was doch so geschwindt vergeht. E. L.
haben schönheitten, so nie vergehen, nehmblich Dero großer verstandt undt
vivacitet, Dero generositet undt gütte, Dero beständigkeit vor diejenigen, so
sie einmahl gnädig geweßen; auch macht dießes, daß man sich dermaßen
ahn E. L. attachirt, daß man E. L. biß ahn sein endt gantz leibeygen
ergeben bleibt. Mich deücht, es ist viel lustiger, in die luterische, alß in die
frantzösch reformirte kirch zu gehen, denn die lutherische lieder seindt
ahngenehmer zu singen, alß Marot
[4] seine psalmen in alt frantzösch, welches in
meinem sinn jetzt ridiculle ist zu hören. …