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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly den 19 April 1711.
Hertzliebe Louisse, ich glaube, es ist ein genie expres bestehlt,
umb mich ahn schreiben zu hindern, wen ich Eüch schreiben will.[1]
Solte daß genie auch doll werden, so will ich doch auff Ewer letztes
schreiben andtworten, so ich vergangen donnerstag entpfangen. Ich
bin der schönnen predigen unwürdig, den ich kan daß schlaffen
nicht laßen; der thon von dem prediger schlafft mich gleich ein.[2]
Zu Heydelberg gin[g] ich bitter ungern in die frantzosche kirch,
den es dauchte mir gantz etwaß anderst sein, alß die teütschen.
Der stiel von Marot kam mir mehr bouffon, alß devot, vor. Wir
seindt hir alle in großer trawer, den ich glaub, ich habe Eüch
schon verzehlt, liebe Louisse, wie unversehens der arme monsieur
le Dauphin gestorben. Seine kranckheit war abscheülich. Die
duchesse de Villery[3] hatt nur zu Versaille mitt ihrem man
gesprochen; sein kleydt, so in monsieur le Dauphins cammer geweßen,
hatt sie schon ahngesteckt, noch mehr werden sich woll auch finden.
Ich wolte gern mehr sprechen, aber ich kan es ohnmöglich, den ich
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muß noch 2 brieff schreiben. Adieu, liebe Louise! So lang die
reye vom sterben nicht ahn mir kompt, werde ich Eüch von hertzen
lieb behalte. Ich habe noch 3 bouteillen du beaume blanc; wen
Ihr sie haben wolt, kont Ihr mirs sagen.