Seitenbanner

Brief vom 20. April 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


499.


[041]
Versaille den 20. April 1702.
… Ich schenckte gestern mad. de Chasteautier[1] einen schönnen papagay[2], der blauttert unerhört. Ich wolte hören, was er sagen kan, ließ ihn in meine cammer; meine hunde wurden jalous, undt eine, so Mione heist, wolt ihn ahnbellen; der papagay sagte alß donne la patte[3]; ich wolte, [042] daß E. L. hetten sehen können, wie verwundert Mione war, den vogel sprechen zu hören: sie hörte auff zu bellen, sahe ihn starck ahn, hernach mich; wie er fortfuhr zu reden, erschrack die Mione wie ein mensch, lieff davon undt versteckte sich unter das lotterbett, da fing der papagay überlautt ahn zu lachen. Das machte mich ahn herr Leibnitz gedencken, daß E. L. sagen, daß er soutenirt, daß die thiere verstandt haben, keine machine sein, wie es Descarte[4] hatt behaupden wollen, undt ihre seelen unsterblich sein. In jener welt werde ich mich sehr erfrewen, nicht allein verwante undt gutte freünde wider finden zu können, sondern auch alle meine thierger[5], aber were woll atrappirt, wenns bedeütten solte, daß meine seele so sterblich alß die ihrige werden solte undt daß wir alzusamen nichts mehr sein solten, will lieber das andere glauben, denn es ist viel tröstlicher. … Ich erinere mich der Wolffenbuttelische hertzogen noch gantz perfect. Wie ich hertzog Rudolf August sahe, hatte er zwar noch zähn, aber zanlucken; was übrig war, war lang undt gelb, gar heßlich, hatte damahlen lange undt gar fette haar, war lang, mager undt ging gebückt. Ich erinere mich auch noch, daß, wie er ahn taffel bey E. L. saß zu Hannover unten im sahl, der unter das frawenzimmer war, undt man ihm die servietten wie ein hun gefalten hatte, sagte er zu E. L.: ist es gesotten oder gebraten? steckte seine lange finger dem gefaltenen hüngen im hintern undt sagte: es lebt! es lebt! Da fing ich ahn so abscheülich zu lachen, daß E. L. recht böß auff mich wurden, da verging mir das lachen. Hertzog Anthon Ulrich jammert mich, so verlaßen zu sein, aber wenn er sich wirdt mitt seinen vettern accordirt haben, wirdt er mich nicht mehr jammern. Ich weiß nicht, ob es wahr ist was man mons. Duson[6] beschuldigt, allein daß ein Frantzoß interessirt ist undt gelt sucht zu machen wo er kan, ist gar nichts frembts; es seindt wenig hir im landt, so es nicht so machen…
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. April 1702 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 41–42
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0499.html
Änderungsstand:
Tintenfass