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Brief vom 30. April 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


124.


[189]
St. Cloud den 30. april 1721.
Mons. von Harling. Gestern habe ich sein paquet sambt dem buch von Mr. Eckhart[1] zu recht entpfangen, fange heütte drauf zu andtworten [190] ahn. Ich erinere mich Eckhardts gar woll[2], dancke sehr vor sein buch; ich habe schon ein wenig drin geleßen. Waß mir drin gefeldt undt ich sehr curieux finde, ist die genealogie von allen saxsischen undt englischen Königen[3], aber ich findt, daß er sich in unßers seel. Königs epitaphe[4] sehr übereylt hat, muß mehr vivacitet, alß jugement haben, denn er will von dießem Konig sprechen undt kente ihn nicht, er spricht von ihm alß wenn er über alles hette meister sein wollen, undt sagt:
Es wolte Ludewig Europens Meister seyn,
Er führte Fried und Krieg nach eignen Lüsten ein,
Und suchte die Begier der Hersch-Sucht frey zu stillen.
Im Tode gehet es doch anders mit ihm an:
Denn da er sonsten stets, was er gedacht, gethan,
Erhält er nicht einmal anizt den letzten Willen.

Man muß sagen, sowoll in vers alß in prose, waß man weiß, undt nicht waß man nicht weiß. Von des Königs gedancken kan Mons. Eckhard nicht gewust haben; der König bekümerte sich so wenig umb sein testament, daß er zur Königin in Englandt in lachen sagte: On m’a tourmenté pour faire un testament, qui ne peut pas subsister, das hatte die alte fettel[5] der cantzeler undt Duc du Maine gethan. Aber leütte wie Mons. Eckhart sollen nicht judiciren von waß sie nicht wißen, insonderheit von solchen hohen personen. Des Königs todt ist auch nicht recht gesetzt, er sagt, der König were anno 1714 gestorben, er starb aber den 1. september 1715. Ich habe noch nicht weiter geleßen, kan also keine remarques mehr machen, waß ich guttes undt böß hirin finde. Es war doch gutt gemeint, daß er mir sein buch schickt, [ich] bitte, ihm davor zu dancken. … Die arme fraw von Borstel[6] seel. hatte hertzlich gewünscht, einen sohn zu haben; sie ist 8 mont mit einem sohn schwanger geweßen; es jamert mich recht von hertzen, undt ihre arme alte mutter undt ihr mann seindt untröstbar, haben recht, denn sie war gar ein ehrlich mensch, gar nicht wie die weiber zu Paris sein, sie hat ihr leben nichts geliebt, alß ihren mann, welches eine rare sach in Franckreich undt insonderheit zu Paris ist; sie war woll erzogen, konte 3 sprachen, teütsch, itallienisch undt spanisch, mahlte artlich, hatte viel geleßen, ein gutt gedächtnuß undt viel verstandt. … Mein dockter Teray findt mich noch nicht nach seinem sinn; vergangen Sontag hat man mich noch starck purgiert undt in der andern woche soll ich zur [191] ader laßen. Ich glaube nicht, daß ich es sehr von nöhten habe, aber solte ich mich dawider setzen, würde man mich zu sehr plagen, thue also alles waß man will. … Wir haben seyder ich hir bin nur 2 tag schön wetter, seyder sambstag regnet es continuirlich undt ist so kalt, daß man wider fewer in allen cammern machen muß; gott gebe, daß es morgen, da wir in den Mayen tretten, endern möge. Aber es gereüet mir doch nicht, Paris quittirt zu haben; ich habe hir eine musique, so mich charmirt, nehmblich ein chorus von fröschen undt ein desus von nachtigallen, welches mir beßer alß das gantze opera gefelt.[7] … Mons. Ilten[8] ist wider nach Englandt undt ich habe schon zeittung, daß er dort ahnkommen ist; wenn er seinen falschen Ilten dorten ein wenig butzen könte, were es nicht ubel ahngewendt. … Man sagt im sprichwordt: Untreü schlegt seinen eygenen herrn, also ist es Mons. Klenck auch gangen, denn er hat seine thorheiten thewer bezahlt, weilen seine fraw undt er so ellendt undt jamerlich gestorben sein ahn der wüsten kranckheit. Ich verstehe kein latein, aber hat Sigr. Ortence die vers dem verstorbenen papst[9] zu lob gemacht, konte er sich ahn niemandts adressiren, so weniger nach dießem papst gefragt hat, alß ich, denn er hat mich ja ungerechter weiß einen proces verliehren machen[10]; es war gewiß, umb zu erweißen, daß die Sorbonne zu Paris recht hat zu souteniren, daß der papst nicht infaillible ist, denn ungerechtigkeit ist eine große fautte, so nie vor unfehlbar passiren kan. … Mein sohn kam vergangen Montag her, sagte, daß Alberoni gar übel zu Rom were entpfangen, zwar nach seinen meritten, aber nicht nach seiner hoffnung; kein eintziger Cardinal hat ihn besuchen wollen, [er wirdt] also wenig hoffnung haben, papst zu werden, undt wenig apparentz, daß unßer herrgott seine frömigkeit durch einen so hohen standt vergelten wirdt, es gehe denn nach dem teütschen sprichwordt: Je größer schelm, je größer glück. Ich hette es ihm durch la rareté du fait gewünscht. Es ist eine abscheüliche querelle im conclave geweßen zwischen dem Cardinal Pamphile undt dem Cardinal Albani; der erste hatte sich gegen den verstorbenen papst deschainirt wegen der constitution[11], der andere hat seines oncles partie genohmen. [192] Etliche sagen, andere leügnens, daß der streitt so hart geworden, daß sie einander tintenfäßer ins gesicht geworfen haben; das muß poßirlich zu sehen gewest sein. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. April 1721 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 189–192
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0124.html
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