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Versaille den 17 Augusti 1709.
Hertzliebe Louisse, dieße woche habe ich wider kein schreiben
von Eüch entpfangen. Daß setzt mich recht in sorgen Ewerthalben;
den ich fürcht, daß Eüch der kummer wirdt kranck gemacht haben,
insonderheit in dießer abscheülichen hitze, so jetzt in dießen
hundtstagen ist. Im fall Ihr mir, liebe Louisse, nicht selber schreiben
könt, so bitte ich, last mich doch nur durch eine andere handt
wißen, wie es mitt Eüch ist! Von hir kan ich Eüch … Da
bekomme ich Ewer liebes schreiben vom 3 August. Ich habe alß
mitt betrübtnuß gesehen, daß Ihr Eüch über Amelise kranckheit …
den wie Ihr mir ihre kranckheit beschrieben hatte, sahe ich leyder
woll, daß es kein gutt endt nehmen würde undt die bestürtzung
desto großer bey Eüch sein. Es ist leicht zu begreiffen, waß ein
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solch unglück hertzstöß gibt, undt beklage Eüch woll von grundt
meiner seelen. Ihr würdet beßer gethan haben, nach Schwalbach
zu reißen undt auß dem betrübten Heydelberg zu ziehen; den ich
fürchte, daß Eüch dort der sawerbrunen nicht woll bekommen wirdt,
undt remedien, übel gebraucht, schaden mehr, alß daß sie nutzen.
Ihr werdet woll thun, so baldt Eüch möglich, wider nach Hannover
[zu gehen]. Ma tante hatt nun geselschafft von nöhten; den nun
der churfürst von Braunsweig wider auff den Rhein wirdt, wirdt
sie gar einsahm zu Hernhaussen sein. Ich begreiffe leicht, wie man
denen gern folgen wolte, so man lieb hatt undt verliehrt, aber man
muß doch gott den allmachtigen still halten. Eins geht nur nach
dem andern fort, aber man fiindt nur zu baldt daß endt von seinem
leben. Ich habe nicht ohne threnen leßen können, waß Amelisse
zu Eüch gesagt; ich wilß aber nicht widerhollen, den ich wolte es
Eüch lieber vergeßen machen, alß erinern. Wen man alt wirdt,
bekümmert nie so sehr, alß wen man jung ist. Gott der
allmachtige wolle I. L. lang bey dero gutten gesundtheit erhalten! Zu
alle Ewere gutte wünsch vor unßere liebe churfürstin sage ich von
hertzen amen. Ob mein dieb, der schatzmeister, zwar mittel hatt,
so hatt er mir doch so viel gestohlen, daß ich lang ungelegenheit
davon haben werde. Ich habe nichts, daß ich verkaufen konte.
Mein Wittum ist auff ein apanage, daß kan nicht verkaufft werden.
Baldt werden die commissarien die sach vornehmen. Es muß ein
erbstück bey unß allen sein, arm zu werden. Ich chagrinire mich
aber nicht drumb, verlaß mich auff die providentz. Wie kompts, daß
Ewer schwester nicht ist in der closterkirch begraben, da alle
Ewere geschwister sein begraben worden?
[1] Es ist eine schande,
daß Churpfaltz Eüch daß Ewerige so einhelt. Mich deücht, vor
dießem war die weldt nicht so interessirt, alß sie nun ist. Es ist
unbeschreiblich, wie die leütte hir auffs gelt undt stehlen verpicht
sein. Daß kompt hir von dem kauffen undt verkauffen der
chargen; den sie meinen, sie geben nur ihr gelt auff interesse. Ich
habe gern lange brieff. Also last Eüchs, liebe Louisse, nie gerewen,
wen Ihr mir einen langen brieff schreibt! Ma tante hatt mir zwey
relationen von deß Teütschen-meisters avanture geschickt. Ich
hette I. L. sehen mögen, weillen man mir versichert, daß er
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meinem armen bruder s. gleicht. Ich habe doch lachen müßen; Jacés
ihre forcht beschreibt [Ihr] recht naturlich. Ich weiß der fraw von
Degenfelt recht danck, daß sie Eüch zu trösten kommen ist; sie muß
ein gutt gemühte haben, welches [in] itzigen zeitten etwaß rares ist.
Der pfaltzische hoff wirdt nun in großer trawer sein, den die
verwitibte churfürstin zu Pfaltz solle gestorben sein. Wir haben hir
gar nichts neües, alles geht schlapies her, wie die Hinderson alß
pflegt zu sagen.
[2] Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich
Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
Ich kan ohnmöglich meinen brieff überleßen, es ist gar eine
zu graußame hitze.