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Brief vom 28. Mai 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


527.


[251]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.

Marly den 28 May 1711.
Hertzallerliebe Louisse, vergangen sambstag fuhr ich nach Versaille, umb dort meine devotion in beßerer ruhe zu verrichten, alß hir. Ich fuhr hin, morgendts hin undt sontags schriebe ich, nachdem ich auß der vesper kommen, ahn ma tante undt mein dochter [252] undt dem gutten hertzog von Wolffenbüttel, welchen ich einen pasport schickte, so I. L. begehrt hatten. Nachdem ich abgeschrieben hatte, bekamme ich ma tante paquet, worinen Ewer liebes schreiben vom 15 war, so ich heütte beantwortten werde; daß gesterige aber vom 18 werde ich biß sontag sparen. Es ist mir leydt, daß daß gläßgen mitt dem beaume gebrochen; aber dießes unglück kan gar leicht wider ersetzt werden, deß zeügs findt man hir genung. Es hatte es doch derselbige kammerknecht eingepackt, so alle andere schon gepackt hatt, weiß nicht, wie er sich dießmahl so übel vorgesehen. Daß wirdt aber baldt ersetzt werden, ich wills Bolduc schreiben laßen, mir andere zu schicken, bin fro, daß ma tante brieff nicht ist mitt verdorben worden; auff ein ander mahl wirdt man beßer acht haben. Mich deücht, es richt nicht gar woll. In feüchten orten wer daß heydelbergische rauchpulver, so der herr Nebel machte, beßer, umb zu truckenen undt allen bößen geruch zu benehmen. Es gehort nicht viel dazu, umb zu hindern, liebe Louise, daß man mein schrifft nicht recht leßen kan, ich kritzele genung dazu.[1] Es hatt mich recht gefrewet, ma tante, unßere liebe fraw churfürstin, auß Hannover undt zu Herrnhaußen bey dießem schönnen frühlingswetter zu wißen. Daß wirdt I. L. woll thun, exercitzien zu thun konnen. Woll dem, so noch gehen kan! Ich kan es schir gar nicht mehr. Ich höre noch gern, daß noch rechte prinzen von Anhalt sein undt nicht alle verquackelt, alß wie der mitt seiner apoteckers-dochter.[2] Wen ich Ütrecht nenen höre, dencke ich noch ahn meine junge jahren, wie ich dort geweßen. Wolte gott, wir wehren noch zu der zeit undt ich wüste, waß ich nun weiß! Hir haben wir wenig neües. Gestern kam Churbayern her, ich hatte aber die ehre nicht, I. L. zu sehen; den sie gingen nur in deß königs cabinet, wo prophanen, wie ich bin, nicht hinkommen, undt im salon, wo man spilt, gehe ich nicht hin, den die spieller sehen die, so nicht spillen, scheel ahn undt meinen alß, man bringt ihnen unglück, drum gehe ich nie hin. Heütte aber habe ich I. L. auff der jagt gesehen undt geschprochen. Mein gott, wie ist der herr geendert seyder vergangen jahr! Sein kinn ist [253] spitz, seine naß auch, der mundt ist eingefahlen, so daß kinn undt naß schir gantz zusamen stoßen, undt sicht viel älter auß, alß er in der that ist; er hatt aber gutte minen noch undt eine artige taille. Daß ist alles, waß ich Eüch vor dießmahl sagen kan undt daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb hehalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Mai 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 251–253
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0527.html
Änderungsstand:
Tintenfass