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Versaille den 12 December 1711.
Hertzallerliebe Louisse, alleweill entpfange ich Ewer liebes
schreiben vom 1 dießes monts. Es ist eine wunderliche sache, daß Ihr
von 5 meinen schreiben nur eines entpfangen habt, ich kan es
unmöglich begreiffen; dießen werde ich über Hannover schicken. Die
ich von Eüch entpfange, liebe Louisse, seindt vom 4 undt 17 October
undt den 10 November, seyder wir von Fontain[e]bleau sein, sonsten
habe ich keine entpfangen. Ihr könt hirdurch woll sehen, ob ich
alle die Ewerigen entpfangen habe oder nicht. Daß ich dieße
letzten mont gar nicht geschrieben, ist erstlich die ursach, daß es ein
wenig verdrießlich ist, zu schreiben, ohne daß die brieffe zu recht
kommen; zum andern so hatt mich Chardon hatt mir von einer
woch zur anderen auffgehalten, ohne mir daß certificat zu schicken,
wie Coubert dem printz Dissenguin
[1] alß confiscation geben worden,
undt ich habe es noch nicht, will also nicht lenger sein, ohne Eüch
zu schreiben; den gott weiß, wie lang ich Eüch noch werde
schreiben können, den ich kan Eüch nicht verhehlen, daß ich hir vor gar
gefährlich kranck gehalten werde, ob es mir zwar nicht deücht,
undt alle docktoren hir sagen, daß je weniger ich meine kranckheit
fühle, je krancker ich bin. Ich bin doch dick undt fett, sehe nicht
übel auß, fühle keine schmertz[en], habe gutten apetit, nur daß ich
allezeit ein wenig schläfferig bin undt überall einschlaffe, welches
man vor gar gefährlich hir helt. Man hatt mich gestern deßwegen
zur ader gelaßen, montag undt mitwog werde ich purgiren, umb zu
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sehen, ob man mir den gefährlichen schlaff verdreiben kan. Ich
ergebe mich in den willen deß allerhögsten undt bin gantz ruhig,
waß drauß geschehen wirdt. Ich wünsche noch fürchte den todt
nicht,
[2] alß mag es gehen, wie gott will. Mein bludt war gar
heßlich die zwey ersten paletten, die 3te war beßer. Ich wolte Eüch
die letzte reiße schon zu Marly schreiben undt Lenor schriebe
auch, aber ich wurde interompirt undt habe seyderdem nicht wider
zum schreiben gelangen [können], deßwegen ist der hir beyligende
brieff so alt. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, continuirt, mir zu
berichten, waß neües zu Franckfort vorgeht! den daß amussirt mich.
Ich bin versichert, daß, wen Ihr den schelmen, den Seyller, sehen
werdet, daß er Eüch doch sehr ahn unßere heydelbergische zeitten
erinern wirdt. Wie er vor etlichen jahren hir war, wolte er nicht
zu mir kommen, sagte hundert lügen, unter andern sagte er ahn
monsieur de Torci,
[3] daß er unßer bruder were, daß ich aber
Eüch andere viel lieber gehabt hette, alß ihn, daß ich ihn allezeit
übertractirt
[4] hette, drumb wolte er nicht zu mir kommen. Ich habe
aber dem Torcy die rechte sach verzehlt, wie er alß ein arm kindt,
deßen vatter ein tuchfarber ware, aber so arm, daß er seinen sohn
nicht hette studiren können laßen, wen unßer herr vatter ihn nicht
auß purer barmhertzigkeit in die Neckerschul geschickt hette, daß
er woll studirt hette undt daß ihn I. G. der churfürst hette reißen
laßen, daß er ihn hernach zum biblioteckarius gemacht, hernach
zum geheimen secretarius, daß aber der undankbare Seyller sich
nicht contentirt hette, seinen landtsfürsten, seinen herrn undt
gutthäter zu verlaßen, da er ihm ahn nöhtigsten gehabt, sondern er
hette ihn noch bestohlen undt nöhtige schrifften mitt sich
weggeführt, umb eine größere fortun ahm keyßerlichen hoff zu machen;
also habe ich hir erklärt, welch ein ehrlicher man herr baron
Seyller ist. Hinfüro werde ich alle meine brieffe nach Hannover
adressiren; den,
[5] welchen Ihr mir geschickt, ist von der fraw von
Bernstein. Der neüe keyßer
[6] ist zu Insprück, wo seine erblander
ihm den aydt ablegen. Ich glaube nicht, daß es Ludel Woltzogen
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ist, den Ihr gesehen; den Lenor hatt mir yerzehlt, daß Ludel bey
seinem schwager, dem jagermeister, zu Rorbach gestorben seye
undt daß er, der Veninger, seinen schwager gantz todt ahngethan
hette, alle menschen bang mitt gemacht. Den Ihr gesehen, ist
vielleicht der elste Wollzogen oder Carl, der jüngste bruder; welcher
es aber auch sein mag, so finde ich ihn sehr naif, habe doch über
sein compliment müßen lachen. Churpfaltz muß nicht so kranck
geweßen [sein], alß man gesagt, weillen er so baldt wider courirt
geworden. Es ist leicht zu glauben, daß Ihr müht von solicittern
seydt. Könt Ihr Ewer recht nicht verkaufen? Ein andere person
konte vielleicht den boßen cammerpressidenten eher zu recht bringen.
Von dießem graffen von Schorßberg habe ich mein leben nicht
nenen hören. Wo ist er zu hauß? ist es nicht von den
blackscheyßer,
[7] den man zum graffen gemacht hatt? Adieu, hertzlieb
Louise! Ich muß schließen, den es wirdt spätt. Ich habe noch
3 brieff zu schreiben, kan also nichts mehr sage, alß daß ich Eüch
von hertzen ambrassire undt Eüch, so lang mich die schlaffsucht
nicht in jene welt schickt, werde ich Eüch von hertzen lieb
behalten.