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Brief vom 12. Dezember 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


537.


[264]
Versaille den 12 December 1711.
Hertzallerliebe Louisse, alleweill entpfange ich Ewer liebes schreiben vom 1 dießes monts. Es ist eine wunderliche sache, daß Ihr von 5 meinen schreiben nur eines entpfangen habt, ich kan es unmöglich begreiffen; dießen werde ich über Hannover schicken. Die ich von Eüch entpfange, liebe Louisse, seindt vom 4 undt 17 October undt den 10 November, seyder wir von Fontain[e]bleau sein, sonsten habe ich keine entpfangen. Ihr könt hirdurch woll sehen, ob ich alle die Ewerigen entpfangen habe oder nicht. Daß ich dieße letzten mont gar nicht geschrieben, ist erstlich die ursach, daß es ein wenig verdrießlich ist, zu schreiben, ohne daß die brieffe zu recht kommen; zum andern so hatt mich Chardon hatt mir von einer woch zur anderen auffgehalten, ohne mir daß certificat zu schicken, wie Coubert dem printz Dissenguin[1] alß confiscation geben worden, undt ich habe es noch nicht, will also nicht lenger sein, ohne Eüch zu schreiben; den gott weiß, wie lang ich Eüch noch werde schreiben können, den ich kan Eüch nicht verhehlen, daß ich hir vor gar gefährlich kranck gehalten werde, ob es mir zwar nicht deücht, undt alle docktoren hir sagen, daß je weniger ich meine kranckheit fühle, je krancker ich bin. Ich bin doch dick undt fett, sehe nicht übel auß, fühle keine schmertz[en], habe gutten apetit, nur daß ich allezeit ein wenig schläfferig bin undt überall einschlaffe, welches man vor gar gefährlich hir helt. Man hatt mich gestern deßwegen zur ader gelaßen, montag undt mitwog werde ich purgiren, umb zu [265] sehen, ob man mir den gefährlichen schlaff verdreiben kan. Ich ergebe mich in den willen deß allerhögsten undt bin gantz ruhig, waß drauß geschehen wirdt. Ich wünsche noch fürchte den todt nicht,[2] alß mag es gehen, wie gott will. Mein bludt war gar heßlich die zwey ersten paletten, die 3te war beßer. Ich wolte Eüch die letzte reiße schon zu Marly schreiben undt Lenor schriebe auch, aber ich wurde interompirt undt habe seyderdem nicht wider zum schreiben gelangen [können], deßwegen ist der hir beyligende brieff so alt. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, continuirt, mir zu berichten, waß neües zu Franckfort vorgeht! den daß amussirt mich. Ich bin versichert, daß, wen Ihr den schelmen, den Seyller, sehen werdet, daß er Eüch doch sehr ahn unßere heydelbergische zeitten erinern wirdt. Wie er vor etlichen jahren hir war, wolte er nicht zu mir kommen, sagte hundert lügen, unter andern sagte er ahn monsieur de Torci,[3] daß er unßer bruder were, daß ich aber Eüch andere viel lieber gehabt hette, alß ihn, daß ich ihn allezeit übertractirt[4] hette, drumb wolte er nicht zu mir kommen. Ich habe aber dem Torcy die rechte sach verzehlt, wie er alß ein arm kindt, deßen vatter ein tuchfarber ware, aber so arm, daß er seinen sohn nicht hette studiren können laßen, wen unßer herr vatter ihn nicht auß purer barmhertzigkeit in die Neckerschul geschickt hette, daß er woll studirt hette undt daß ihn I. G. der churfürst hette reißen laßen, daß er ihn hernach zum biblioteckarius gemacht, hernach zum geheimen secretarius, daß aber der undankbare Seyller sich nicht contentirt hette, seinen landtsfürsten, seinen herrn undt gutthäter zu verlaßen, da er ihm ahn nöhtigsten gehabt, sondern er hette ihn noch bestohlen undt nöhtige schrifften mitt sich weggeführt, umb eine größere fortun ahm keyßerlichen hoff zu machen; also habe ich hir erklärt, welch ein ehrlicher man herr baron Seyller ist. Hinfüro werde ich alle meine brieffe nach Hannover adressiren; den,[5] welchen Ihr mir geschickt, ist von der fraw von Bernstein. Der neüe keyßer[6] ist zu Insprück, wo seine erblander ihm den aydt ablegen. Ich glaube nicht, daß es Ludel Woltzogen [266] ist, den Ihr gesehen; den Lenor hatt mir yerzehlt, daß Ludel bey seinem schwager, dem jagermeister, zu Rorbach gestorben seye undt daß er, der Veninger, seinen schwager gantz todt ahngethan hette, alle menschen bang mitt gemacht. Den Ihr gesehen, ist vielleicht der elste Wollzogen oder Carl, der jüngste bruder; welcher es aber auch sein mag, so finde ich ihn sehr naif, habe doch über sein compliment müßen lachen. Churpfaltz muß nicht so kranck geweßen [sein], alß man gesagt, weillen er so baldt wider courirt geworden. Es ist leicht zu glauben, daß Ihr müht von solicittern seydt. Könt Ihr Ewer recht nicht verkaufen? Ein andere person konte vielleicht den boßen cammerpressidenten eher zu recht bringen. Von dießem graffen von Schorßberg habe ich mein leben nicht nenen hören. Wo ist er zu hauß? ist es nicht von den blackscheyßer,[7] den man zum graffen gemacht hatt? Adieu, hertzlieb Louise! Ich muß schließen, den es wirdt spätt. Ich habe noch 3 brieff zu schreiben, kan also nichts mehr sage, alß daß ich Eüch von hertzen ambrassire undt Eüch, so lang mich die schlaffsucht nicht in jene welt schickt, werde ich Eüch von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Dezember 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 264–266
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0537.html
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