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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly sontag den 19 Februari 1713.
Hertzallerliebe Louisse, ich bin in todtesangsten, es geht ein
geschrey zu Paris, daß ma tante gar kranck ist; daß setzt mich in
so todtesangsten, daß ich kein wordt auff Ewere schreiben
andtwortten kan. Wir haben heüte die trawer abgelegt, aber es ist
woll mitt betrübten hertzen, daß ich bundt gehe. Gott gebe, daß
morgen brieffe kommen mögen undt mir daß contraire versichern!
Gott stehe unß bey! Ich bin in solchen angsten, daß ich nicht
mehr weiß, waß ich sage. Alle remedien, so man mir gebraucht,
seindt umbsonst; ich bin eben so ellendt nun, wie ich zuvor war,
schnauff eben so sehr, habe eben so groß lenden-, knie- undt
fußwehe; der caffé, den man mir 2 mahl deß tags macht nehmen,
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thut mir weder guts noch böß, undt ich habe die schlaffsucht noch
immer; aber ist ma tante übel, wie man zu Paris sagt, so werde
ich nur zu lang leben. Adieu, liebe Louise! In welchen standt
ich auch sein mag, so werde ich Eüch doch allezeit lieb behalten.