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Marly den 13 May 1713.
Hertzallerliebe Louisse, weillen ich hir zu Marly alß mehr zeit,
zu schreiben, habe, alß zu Versaille, so will ich, daß Ihr, liebe
Louise, auch sehen mögt, daß ich keine zeit verseüme, wen ich
Eüch schreiben kan. Damitt ich, so lang wir hir werden sein,
nicht dran fehlen werde, so werde ich Eüch alle sambstag
schreiben; den daß ist der tag, ahn welchem ich ahm wenigsten zu
schreiben habe. Mich verlangt sehr, biß ich wider brieff bekomme,
umb zu erfahren, wie es mitt Eüch stehet, ob daß fieber kommen
ist oder nicht. Wir haben gar nichts neües hir. Es ist daß
schönste wetter von der weldt. Ich bin in einem überauß
schönnen gartten undt kan nicht spatziren, den die verfluchte aderlaß
undt vergangenen-dinstagige medecin haben mich so unerhört
abgematt, daß ich gar nicht gehen kan. Man hatt mir so gepredigt,
daß, wen ich mich dießen Mayen nicht würde zur ader laßen undt
purgiren, würde ich unfehlbar wider in den ellenden standt fahlen,
wie ich dießen wintter geweßen. Ich glaub aber, man hatt mir die
doze zu starck geben, den in 2 tagen hatt es mich 18 mahl mitt
starcken grimmen purgirt; nehme ich noch eine, so würde man
mich baldt in jene weldt schicken. Wen ich ein wenig beßer bey
krefften sein werde, will ich Eüch mehr schreiben, nun aber nur
versichern, daß ich, in welchem standt ich auch sein mag, so werde
ich Eüch doch recht lieb behalten.
Sontag morgendts den 14 May.
Ich erinere mich in dießem augenblick, daß ich in allen
meinen brieffen, so ich alß in großer eyll schreibe, etliche nohtwentige
sachen habe vergeßen zu beantwordten, alß nehmblich Eüch zu
bitten, meine schuldigste dancksagung bey I. M. der königin in
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Denmarck abzulegen vor die gnade, so I. M. mir thun, sich meiner
zu erinern, zum andern auch meine dinstliche dancksagung bey
I. L. die churprintzes zu verrichten vor dero glückwünschen;
wünsche von grundt der seelen, daß I. L. ein glücklicher kindtbett
bekommen mögen, alß madame de Berry gehabt hatt, undt alles nach
dero eygenen wunsch undt begehren gehen mag. Zum 3ten habe
ich zu sagen, waß monsieur Quineault
[1] niepce betriefft, sie ist just
6 jahr alter, alß man ist, wen man auß St Cire
[2] muß. Sie müßen
undter 12 jahren sein, wen man sie ins closter nimbt, undt vor
20 jahren müßen sie wider herrauß, also ohnmöglich, daß ich ihnen
hirin dienen kan. Ich muß lachen, daß Ihr Sançay
[3] vor einen
graffen helt; sie seindt von gutten hauß, aber nichts mehr, alß
edelleütte, undt seine schwester ist jungfer bey der großen printz
de Conti
[4] geweßen undt vor ein par jahr gestorben. Ich kene sie
alle gar woll. Der oncle Coulange
[5] ist ein recht artig mängen,
macht continuirlich artig lieder, aber die niemandts offendiren
können. Will mademoiselle de Frouville zu mir, werde ich sie Ewert-halben
woll entpfangen. Waß den blauen demant
[6] ahnbelangt, so ist
selbiger nicht über mein vermögen undt kan mich in nichts
incommodiren; den ich habe hir kauffleütte, so mir, weill ich woll zahle,
alles per poste
[7] verkauffen, daß ist, man gibt nur alle mont eine
sume, biß die zahl auß ist; daß incommodirt in nichts undt
bezahlt doch. Daß ringelgen ist schir gantz bezahlt undt ich kan
nicht sagen, wie es mich gefrewet hatt, ma tante, unßerer liebe
churfürstin, waß neües zu schicken; ist ja nur eine bagatelle,
zukünftigen mont wirdt der ring gantz bezahlt sein. Ich suche ein
grün ringelgen, kan ich eines bekommen, werde ich es auch schicken.
Sagt aber noch nichts davon, liebe Louisse, undt seydt versichert,
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daß ich Eüch heütte nicht weniger lieb habe, alß gestern, undt all
mein leben behalten werde!