Seitenbanner

Brief vom 22. Juli 1713

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


585.


[322]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.

Marly den 22 Julli 1713, umb ein virtel auff 10 abendts.
Hertzallerliebe Louisse, ob ich zwar schon 4 große brieff geschrieben habe, so will ich Eüch doch noch entreteniren, biß wir zum nachteßen müßen; den Ihr wist, daß ich Eüch versprochen, daß Ihr alle sontagspost einen brieff von mir haben solt, undt ist ein schelm, der sein wordt nicht helt, werde also ahnfangen, auff Ewer liebes schreiben vom 7 Julli zu antworten. Dancke Eüch, daß Ihr mir eine exacte relation von der rückreiße gethan habt; ich sehe aber nicht drin, daß ma tante die hertzogin von Zel zu Braunsweig besucht, daß nimbt mich wunder. Ich meinte, ma tante, die fraw churfürstin, hette vergeßen, davon zu sprechen, undt daß Ihr waß davon sagen würdet, aber Ihr sagt auch nichts davon; [323] drumb bitte ich Eüch, liebe Louisse, explicirt mir dießen text! Gott sey danck, daß ma tante dero reiß so glücklich, lustig undt woll volendet hatt! Der allmächtige erhalte sie noch lange jahren! Ich beklage die arme madame de Beningsen, daß fieber in der kutsch gehabt zu haben, nichts ist ungemächlicher. Wen man reist, muß man gesundt sein, sonsten ist es kein spaß. Ich glaube, daß ma tante civillitet gegen die churprintzes muß der churprintzes woll gefahlen haben. Hatt die churprintzes den keine edelleüte bey sich, ma tante die stiege nauff zu führen? Daß were mein sach, so geschwindt zu fahren, den wen man schriedt vor schrit fahrt, wirdt mir recht übel.[1] Ich kan woll begreifen, warumb monsieur Winde nicht, hatt folgen können; wen man nicht im ahtem ist oder geßen hatt, kan man ohnmöglich starck reitten. Man thut woll zu Hannover, die kleinen printzen undt princessinen oft spatziren [zu führen], nichts ist den kindern gesunder. Mich deücht, ma tante glaubt nicht, daß die bronnenchur deß churprintzen übel außsehen verursachet. Es muß schönner wetter bey Eüch andern sein, alß hir; den bey 14 tagen thut es nichts hir, alß wehen undt regnen, undt der windt ist so kalt, daß [ich] weder abendts noch morgendts ohne feüer sein kan. Ich glaube, daß wein undt korn undt waytzen zu grundt gehen werden undt wider eine hungersnoht kommen wirdt, wovor unß doch gott gnädig bewahrn wolle! Ich finde es admirable, daß Eüch jungen leütten der abendtthau, so man hir le serain[2] heist, schadt undt ma tante es nicht entpfindt. Man muß auch die warheit sagen, in Teütschlandt ist er nicht schädtlich, wie hir, aber mitt Ewerm geschwer im ohr thut Ihr woll, in allem die nachtlufft zu schewen. Wie ich sehe, so seindt die hofffreüllen verdorbene kinder, welches ordinarie geschicht, wen sich eine drunter befindt, deren man nichts sagen darff. Wen ma tante blattern ahn den füßen gangen hette, were nichts leichters[3] zu heyllen. Man fast rohte cramoissiseyden in eine nehenadel undt sticht die blaß so auff, daß man nicht ins fleisch sticht, undt zicht die seyde so gemach nach, daß man die blaß nicht auffreist, undt wen die seyde in der blaß ist, schneydt man die seyden ahn beyden enden ab undt lest die seyde in der blaß; die trucknet daß waßer, so den [324] schmertzen verursachet, undt wen alles heyll ist, felt die alte haut von der blaß mitt sambt der seyden ab. Mitt der gutten gesundtheit, so ma tante noch hatt, hoffe ich undt wünsche von grundt meiner seelen, daß sie es viel weitter bringen werden, alß dero fraw schwester es gebracht hatt, die fraw abtißin von Maubuisson,[4] hoffe, daß sie es über hundert bringen mögen. Es ist leyder nur zu war, liebe Louisse, daß wir nicht herrn über unß selbsten sein undt daß temperament viel part in allem unßerm thun undt laßen hatt. Unßer hergott, der daß verhengnuß [bestimmt], hatt alles wie ketten ahn einander gehenckt, damitt alles geschehen mag, waß geschehen soll. Eines zicht alß daß ander nach undt wir können nichts dazu, haben gott zu dancken, wen wir woll thun, den es ist eine gnade. Es ist gutt undt löblich, barmhertzig zu sein, aber unßer herrgott befihlt nicht, daß wir unß drüber betrüben sollen, sondern nur bereydt sein, unßern negsten zu dinnen, wen es bey unß stehet; stehet es aber nicht bey unß, muß man sich in dießem, wie in allem, in dem willen gottes ergeben. Ma tante hatt mir der armen Stoubenvoll[5] todt bericht. Sie muß alter geweßen sein, alß ma tante; den ich war noch ein kindt, da war sie schon eine alte jungfer mitt gar verfaulten Zähnen, die nicht woll rochen. Es ist ein groß glück, einen sanfften todt zu haben, so woll zu wünschen ist. Ich schreibe alles, wo Ihr secht, daß mitt einer andern feder geschriben, heütte morgen, sontag den 23 Julli seyder 10 uhr. Es ist auch zeit, daß ich ahn ma tante schreibe, werde Eüch also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louise, allezeit von hertzen lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. Juli 1713 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 322–324
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0585.html
Änderungsstand:
Tintenfass