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Marly den 12 Augusti 1713, umb halb 9 abendt.
Hertzallerliebe Louisse, damitt Ihr segt, daß ich eine fraw von
parolle bin, so wirdt hinfüro kein sontagspost mehr vorbeygehen,
daß Ihr einen langen oder kurtzen brieff von mir bekommen
werdet. Meine brieffe, liebe Louisse, seindt zu langweillig, umb
doppelt geleßen zu werden, bin doch fro, das sie Eüch gefallen undt
trost geben können. Mich deücht, wen man nicht exact auff die
schreiben andtwortet, ist es keine conversation, undt wen man
einander schreibt, ist es ja nur, alß wen man mich
[1] einander spricht.
[2]
Ich spiele nicht, kan auch nicht arbeytten, bin zu ungeschickt
dazu,
[3] thue nichts, alß leßen undt schreiben, daß ist alle meine
occupation, macht mir gar kein verdruß; aber ich schreib gern ahn
die, so mir lieb sein, ahn andere schreib ich gar nicht gern, aber
ahn ma tante undt Eüch schreibe ich ohne den geringsten verdruß
noch mühe. Ey, liebe Louisse, wovor wolt Ihr so danckbar sein?
Ich bin ja nie so glücklich geweßen, gelegenheit zu finden, Eüch
guts zu thun. Von der wolffenbüttelische hochzeit werde ich nichts
mehr sagen, die ist vorbey. Ich kan woll begreiffen, daß nach
14tagige verenderung man sich auch wider nach hauß wünscht,
allein mir deücht, daß das leben dort, wie die stunden außgetheilt
sein, beßer mein sach were, alß wie sie hir undt zu Hannover sein.
Wie ich im ahnfang hir so spät aß, bekamme ich ein abscheülich
fieber, nun aber bin ichs zwar gewohnt. Ich bin fro, daß ma tante
nicht lenger blieben, weillen es I. L. geschat hatt. 3 mahl die
woche stehe ich umb 8 auff, all überige zeit umb 9; lest man mich
lenger schlaffen, so wirdt mir der kopff schwer undt thum, ich kan
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daß lange schlaffen nicht außstehen. Alle nacht gehe ich erst umb
1 nach bett, den wir seindt offt nach dem eßen von 11 biß nach
3 virtel auff 12 ins königs cabinet; also secht Ihr woll, liebe
Louisse, daß ich keine mühe haben würde, mich ahn daß
wolffenbüttelsche leben zu gewohnen. Ich gehe gern in der sonne
spatziren, die nachtlufft lieb ich nicht; wie ich noch gehen konte, ging
ich alß nach hauß gleich nach der sonnen untergang. Aber es
schlegt 10, ich muß zum nachteßen.
Sontag den 18 Augusti, umb halb 10 morgendts.
Mich wundert, daß der churprintz undt churprintzes nicht zu
Hernhaussen eßen; den weillen sie so spat bleiben, muß es über
11 sein, ehe sie nach Hannover kommen, können also nicht vor halb 12
zu nacht eßen,
[4] welches zu spät ist vor eine person, so erst auß
dem kindtbett kompt, wie I. L. die churprintzes. Ma tante thut
gar woll, die stiegen nicht mehr zu steygen, den nichts ist fatiganter;
vorgestern habe ichs erfahren, wie ich nach Challiot
[5] kam, da war die
königin von Engellandt ahn ihre toillette, muste also die große stiege
auff- undt absteigen, ich fühle es noch in den schenklen. Daß
gehen fürcht ich nicht vor I. L., aber woll die feygen, den die
indigestionen seindt gefahrlich vor leütte von ihrem alter. Der gutte
abbé Reigné,
[6] der so artige vers macht, die ich ma tante schicke,
were dießer tagen schir gestorben, ist noch gar kranck, hatt sich
eine indigestion geben mitt zu viel melonen eßen. Daß gehen
könte ich I. L. gar nicht nachthun, den ich kan nicht mehr woll
gehen; aber außer meine knie undt schenckel, woran ich großen
schmertz [leide], aber auß diß
[7] bin ich, gott lob, in gar
volkommener gesundtheit. Ich fürchte, daß daß kniewehe all mein leben
dauern wirdt. Mich wundert, daß ein Teütscher so gutt Englisch
hatt lehrnen können, in der sprach zu predigen dörffen, den mir
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kompt sie sehr schwer vor. Ich hette lachen müßen, wen ich
gehört, daß dießer pfarrer gesagt, unßere liebe churfürstin konte
einen jungen man noch müde [machen]; durch die equivoque sehe
ich, daß er ein lustiger kautz muß sein. Es ist kein wunder, daß
die königin Anne nicht woll gehen kan, sie hatt ja daß pottegram.
Gott der allmächtige erhalte unßere liebe churfürstin noch manche
jahren in dießer stärcke! Wir haben hir auch viel donnerwetter,
hatt aber nur einen eintzigen hartten schlag gethan. Die
Rotzeheusserin macht mich lachen, den sie versteckt sich gleich, fört
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den donner sehr, hatt aber auch viel unglück davon gesehen, also
zu entschuldigen, daß sie ihn förcht. Daß ist woll war, daß dießer
sommer abscheülich geweßen. Ich bitte, sagt mir doch, liebe Louisse,
ob die 2 schachtelger von helffenbeyn, so ich ahn ma tante
geschickt, gefahlen haben! Es freüet mich recht, daß [das], so ich Eüch
geschickt, Eüch so ahngenehm geweßen. Nichts ist gemeiner hir,
alß allerhandt doßen, undt wie ich Eüch schon versprochen, liebe
Louisse, so lang ich lebe, will ich Eüch dieße schönne undt magnifique
rente machen (worüber man woll mitt recht zu Hannover lachen
wirdt), nehmblich eine neüe dose zur kirbe zu schicken. Daß spiel,
so Ihr porschnel heist, heist man hir undt überall marionetten; der
vornehmbste acteur von dießen pupen heist nicht Porschnel, sondern
Polichinel.
[9] Ich finde Ewere schreiben, liebe Louisse, nie zu lang;
sie scheinen [länger], weillen Ihr nicht oben ahn schreibt, sondern
eine handt breit ungeschriben last, sonsten käme in 2 bogen, waß
Ihr so in 4 setzt. Wie Ihr mir den hertzog von Beuvern
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beschreibt, muß es derselbe sein, den ich hir gesehen, wo er
jederman gefahlen. Ich bin persuadirt, daß dieße hertzogin die
glücklichste von den 3en schwestern
[11] sein wirdt; den in stattigem
zwang, wie die keyßerin, zu leben, da ist weder lust noch
vergnügen bey; die czaarwitzin lebt in ein wilt landt undt hatt einen
pfäffischen herrn, welches auch nicht ahngenehm sein kan; dieße
letzte hatt nicht von maniren zu endern, ist in ihrem landt bey alle
den lieben ihrigen, daß findt ich ein recht glück. Mich wundert,
daß man zu Wolffenbuttel ein hauß vor sie zu recht macht.
Warumb logirt sie nicht im schloß? Da, deücht mich, wer doch ihr
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rechter poste. Man mag mir auch von der czaarwitzin glück sagen,
waß man will, ich wolt mein kopff verwetten, daß ihr große
kranckheit nur von chagrin kompt. Es ist aber auch zeit, daß ich ahn
ma tante schreibe. Ewer schreiben ist doch exact beantwortet,
werde derowegen schließen undt nichts mehrers sagen, alß daß ich
Eüch von hertzen ambrassire, liebe Louisse, undt allezeit lieb
behalte.
Sontag nachmittag.
Ahn taffel hatt man mir Ewer liebes schreiben vom 4 gebracht,
werde es aber erst biß sambstag, so mir gott daß leben verleydt,
beantworten, nur diß drauff sagen, daß es mir recht lieb ist, daß Ewer
schwager, der duc de Schonberg, Couber
[12] wider hatt. Ich wolte,
daß es meinetwegen geschehen wehre.
[13] Mach[t] Ewerm schwager
mein compliment!