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Marly den 14 Julli 1714.
Hertzallerliebe Louisse, mich verlangt unerhört, zu vernehmen,
ob Ihr meine brieff entpfangt. Dießer ist der 4te, so ich Eüch
seyder unßer unglück schreibe, weiß noch nicht, ob Ihrs entpfangen
habt, oder nicht. Ich habe Eüch versprochen, fleißig zu schreiben,
drumb schreib ich Eüch heütte; den morgen kan ich es nicht,
weillen meines sohns gemahlin mich gebetten, morgen mitt I. L.
zu St Clou zu mittag zu eßen undt ihr neü apartement zu sehen,
so sie hatt machen laßen. Ich habe Eüch auch etwaß zu bitten,
nehmblich der freüllen Wilhelmine von Rotzenhaussen, so zu
Franckfort ist, zu berichten, daß ich zwar alle ihre schreiben entpfangen,
aber ohnmöglich habe beantworten [können], ohne mich deß königs
högste ungnadt über den halß zu ziehen,
[1] daß ich woll auß ihren
brieffen sehe, daß sie nicht weiß den großen tord, den sie ihrer
mutter mitt ihrem durchgehen gethan. Der könig hatt gleich alles,
waß ihr zugehören kan, confisquiren laßen, undt hette ich nicht die
confiscation vor ihrer mutter außgebetten, were sie vor ewig ruinirt
gewest, undt solte der könig wißen, daß sie ihrer dochter ein spel
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groß von der confiscation schicken solte, were sie vor ewig
verlohren undt dorffte ihr leben nicht wider her. Hette sie sich nur
noch biß auff den frieden gedult, so hette sie mitt sack undt pack
wegziehen können undt hett ihrer mutter nicht geschadt wie nun.
Sie muß sich also gedulden, die mutter ist woll intentionirt vor sie
undt hatt sie treüllich lieb, sie kan aber nicht offendtlich thun, waß
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sie gern wolte. Die sach muß gar behudtsam geführt werden, den
die gefahr ist zu groß.
[3] Es ist nicht außzusprechen, welchen zorn
unßer könig gegen daß mensch hatt. Last ihr doch dießes alles
wißen! Im überigen so bin ich sehr in sorgen wegen Ewer
ohrsgeschwer. Schreibt mir doch baldt, wie es mitt Eüch stehet, liebe
Louisse, undt seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb
behalte!