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Brief vom 3. November 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


672.


[472]
Versaille den 3 November 1714.
Hertzallerliebe Louise, gestern ist der gantze hoff nach Marly gefahren, außer madame d’Orleans undt ich. Sie ist schwanger, gehet im 8ten mont, hatt einen starcken husten undt ich habe auch einen abscheülichen husten undt schnupen dabey, habe also auch bleiben müßen; ich hoffe aber doch, daß ich in ein par tagen auch hin werde undt mein husten abnehmen wirdt. Heütte hatt man dort die St Hubert celebrirt undt der printz von Saxsen ist auch auff die jagt, wirdt aber nicht dort schlaffen.[1] Gestern wahren I. L. hir undt spilten a l’ombre den gantzen abendt, wahren lustiger, alß ordinarie. Aber da wollen wir baldt wider von sprechen, will nun nur verzehlen, waß mir den abscheülichen husten undt schnupen verursachet hatt. Meine cammerweiber im coeffuren zogen mir die haar undt thaten mir gar wehe; wen ich drüber klagte, sagten sie, es kämme daher, daß meine haar zu lang wehren: also resolvirte ich, sie zu schneyden laßen, welches ich vergangenen dinstag gethan. Der kerl aber, so mir die haar schnit, war so langsam, daß es anderthalb stundt wehrte, undt hilt mir daß heyße pfetzeyßen[2] so lang auff den kopff, daß ich glaub, daß es mich humoren hatt schmeltzen machen, so mir in den halß gefahlen sein undt gleich husten undt schnupen veralso[3], also umb ein wehe zu [473] hindern, bin ich in ein ander wehe gefallen. Daß geschicht offt, den wir armen menschen wißen leyder nie, waß über unß vorsehen ist. Vorgestern, liebe Louise, habe ich morgendts undt abendts ein liebes schreiben von Eüch entpfangen; daß erste war vom 20 October undt daß zweyte vom 23 selbigen monts. Wo mirs möglich ist, werde ich heütte auff beyde andtwortten; wo nicht, so werde ich eines heütte undt daß überige morgen beantwortten. Scheüt nicht, mir offt zu schreiben! den Ihr thut mir gefahlen hirin, liebe Louisse! Ich habe schon 4 blatter von den zeittungen geleßen, aber den ort noch nicht gefunden, will gleich noch suchen; da habe ich es gefunden, liebe Louise! Man hatt meine harangue, wie ich dem churprintzen pressentirt, gar übel übersetzt; den erstlich so heiße ich den konig mein leben nicht sire, sondern monsieur. Waß man enfants de France heist, die heyßen den könig nie sire; daß fengt bey die petits enfants de France ahn, alß zum exempel mein sohn, mein dochter etc. Waß ich zu dem könig sagte, war nur: Monsieur, voicy le prince electoral de Saxsen, qui souhaitte, que je le pressente a V. M. Der printz dratt herzu mitt recht hohen undt gutten minen undt machte dem könig ohne dem geringsten ambaras sein compliment, hatt gleich deß könig undt gantzen hoffs aprobation dadurch erworben.[4] Der könig hatt ihm gar höfflich geantwortet. Alles ist gar; der printz hatt dem könig seine zwey hoffmeistern, graff Cos undt baron Hagen pressentirt, welche hir auch, so woll alß ihr herr, gar woll gerahten undt sich von jederman estimiren [machen]. Wen alle corespondentzen, so man von Franckreich in Teütschlandt hatt, nicht beßer sein, alß dieße, wie ich den churprintzen pressentirt habe, so verdinen die corespondenten ihr gelt übel. Liebe Louisse, ich habe I. L. den churprintzen gefragt, ob er einen andern hoffmeister hir erwahrt, er sagt aber, er wiße kein wordt davon. Der general Lutzenburg hatt [474] eine schwester hir, madame Desalleur;[5] Ihr kent sie vielleicht, den ihr man, so jetzt baldt auß Turquay kommen wirdt, wo er ambassadeur geweßen, ist vorher lang ambassadeur zu Berlin geweßen, wo Ihr sie woll mögt gesehen haben zu der s. königin zeitten. Man hatt dazu gesagt, daß er ein wenig verliebt von der schönnen königin geweßen. Damitt ich aber wider auff seine fraw komme, so wolt ich sagen, daß der general seinen schwester solt mitt im raht[6] nehmen; den sie hatt verstandt, wie der teüffel. Aber ich glaube, daß er mitt dießer zucht eben nicht so unschuldig bleiben wirdt, alß er nun ist; den er wirdt so gehütt, daß man ihm weder mitt mans- noch weibspersonen allein reden lest. Man kan nicht mehr politesse haben, alß der palatin von Lithuanie hatt. Monsieur Haagen[7] weiß auch gar woll zu leben undt scheindt ein feiner man zu sein; ich finde ihn verständig in allen stücken außer in der religion, da ist er bludtseinfältig in. Er hätte gerne gehabt, daß ich seinem printzen zugesprochen hette; allein ich habe ihm gesagt, daß das predigen den weibern nicht zukompt undt daß mich unßer herr zu keinem apostel gesandt hette,[8] drumb würde ich mitt dem printzen nie von religion reden. Er helt noch fest wie eine mauer undt lest sich nicht persuadiren. Man führt in vorgestern [475] in die vesper; er kam eben, wie man einen psalm in mussiq sung, daß hörte er zu; so baldt die mußiq auß war, lief er fort. So baldt ich monsieur Hagen sehen werde, will ich ihm sagen, wie viel guts Ihr mir von seiner frawen schreibt; daß wirdt ihm gefahlen, den er hatt sie hertzlich lieb. Ich dancke Eüch sehr vor daß kupfferstück von könig von Engellandt. Solte ihm dießes gleichen, müste er abscheülich verendert sein; ich finde kein eintzig lignament von ihm, undt daß kupfferstück gleicht in jung dem gutten alten monsieur Polier s. Undt wie dießer könig hir war, hatt er ein schön gesicht undt gar keinen großen mundt; die kinderblattern undt zeit müßen I. M. sehr geendert haben. Er hatte mir durch monsieur Martine sagen laßen, so baldt er in Englandt, wolle er mir schreiben undt commerce mitt brieffen mitt mir haben. Gestern aber bringt mir monsieur Prior[9][10] ein brieff von seinem könig, aber nicht von seiner handt, sondern nur durch secretarie. Daß hatte ich nach monsieur Martini compliment nicht erwart; wen ich aber dencke, wie dießer könig allezeit vor mir ist, so solle es mir doch nicht sehr wunder nehmen. Er ist daß gegenspiel von seiner fraw mutter. Es mag gehen, wie es wolle, so werde ich mich doch allezeit erinern, daß er ma tante sohn ist, undt ihm deßwegen alles glücks undt wollfahrt wünschen, wie ichs ihm auch heütte geschrieben. Die printzes von Galle jammert mich; den ma tante war noch ihr trost. Mehr sag ich nichts, aber ich estimire sie recht; den ich finde ein recht gutt gemüht in ihr, daß woll rahr [in] jetzigen zeitten ist. Die threnen seindt mir in den augen kommen, wie ich in Ewerem brieff geleßen, wie beweglich dieße printz[es] ihren kindern adieu gesagt. Ist es jemandts bekandt, so printz Friderichs hoffmeister geworden? den Ihr nent ihn nicht. Liebe Louise, wen man solche abschiedt nur in einer commedie sehen solte, würde es einem zu hertzen gehen undt weinen machen, will geschweygen den, wen man es in der warheit sicht undt hört; einem lieben bruder adieu zu sagen, umb ihn nach alles[11] aparentz nicht mehr zu [sehen], ist auch [476] etwaß bewegliches. In den hollandischen gazetten stehet, daß die printzes woll überkommen undt ihr herr ihr weit entgegen gereist ist. Ich wuste nicht, daß eine hertzogin von Weymahr einen krancken printzen hatt. Wie ich sehe, so seindt wir in Einem spital kranck; wen ich aber zu früh schlaffen gehe, kan ich nicht einschlaffen. Ist die graffin von Bückeburg mitt der printzes von Buckeburg[12] nach Engellandt oder nicht? Bitte, sagt mirs doch! Es war heütte noch zimblich gutt wetter, auch solle die jagt zu Marly gar schön geweßen sein. Es ist mir lieb wegen deß churprintzen von Saxsen, so, wie schon gesagt, dabey geweßen. Ich habe keine alte, noch neüe medaille von Eüch entpfangen; informirt Eüch, wo es hinkommen muß sein! Ich bin fro, daß die freüllen Wilhelme so ruhig ist. Gott erhalte sie dabey! Aber es verdrist, daß die medaille, so Ihr mir geschickt, verlohren gangen. Hirmitt ist Ewerer erster brieff vollig beantwortet; morgen solle der zweitte folgen. Dießen abendt aber werde ich nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louisse, von hertzen ambrassire undt allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. November 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 472–476
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0672.html
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