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Brief vom 22. November 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


676.


[485]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort sur le Main.

Marly den 22 November 1714.
Hertzallerliebe Louise , gestern bin ich mitt Ewr liebes schreiben vom 13 erfrewet worden, werde aber dießes schreiben erst biß sambstag oder sontag beantwordten, nun aber auff daß überige antwortten, so mir noch von dem vom 6ten überig bleibt, nur vorher sagen, daß, weillen Ihr mir in Ewern letztem schreiben versichert, daß Ewere reiße nach Engellandt gantz resolvirt ist, Ihr aber nicht sagt, wen Ihr weg reist, so werde ich dißen brieff noch nach Franckfort schicken, den andern aber werde ich ahn monsieur Martini schicken. Ewere reiße, liebe Louisse, setzt mich recht in sorgen; den unahngesehen der seegefahr so seydt Ihr sehr sujet undt zu flüßen geneygt, undt bey itzigem so gar rauen wetter; ich fürchte, daß Ihr abscheulich leyden werdt. Wir haben heütte gejagt, aber eins nach dem andern ist durchgangen. Man hatt die kalte im waldt nicht außstehen können. Waß werdet Ihr den auff dem meer außzustehen haben? Seydt versichert, daß ich recht in sorgen sein werde, biß ich brieff von Eüch auß Engellandt werde bekommen haben! Gott gebe, daß Ewere niepcen teütsch bludt genung in sich haben mögen, umb danckbar zu sein, undt daß sie keine englischen humor haben mögen! Waß michs aber fürchten [486] macht, ist, daß sie keine lust nach Teütschlandt haben. Es ist kein exempel, daß eine tante so viel mühe vor ihre niepce nimbt, alß Ihr vor Ewerer schwester kinder. Die arme fraw von Rotzenhaussen hatt daß potagram woll mitt unrecht, wen mans nur haben sollen, wen man reich ist; die arme fraw ist es woll gar nicht, undt wen ihrer dochter beüttel mitt ihrem gespickt solte werden, wirdt es schmahle bißen geben. Ich bin, gott lob undt danck, deß caffé quit, habe es nicht gewohnen können, kan weder caffé, chocolat, noch thee vertragen; kan nicht begreiffen, wie man darauß ein delice machen kan, mir were es gar kein regal;[1] gutten braunen kohl, sawer krautt, schincken undt knackwürst schmeckten mir viel beßer undt einen gutten krauttsalat mitt speck; dieße delicatten speißen seindt mein sach.[2] Ich kene den herrn Wießer,[3] habe ihn hir alß envoyes gesehen. Er sicht recht auß wie ein Judt, solle auch so interessirt sein, solle die arme Pfaltz abscheülich außsaugen. Ein fürst von Nassau Sigen hatt ahm duc de la Trimouille geschrieben undt part geben von seiner mutter todt. Waß war seine fraw mutt[er] vor eine?
Sambstag, den 24 November.
Ich würde vorgestern abendts so interompirt, liebe Louisse, daß ich ohnmöglich dießen brieff habe außschreiben können, undt waß noch schlimmer ist, so habe ich den gesterigen tag auch nicht dazu gelangen [können], bin so interompirt worden, daß ich ohnmöglich einigen andern brieff habe schreiben können, alß ahn mein dochter; deren habe ich 16 bogen geschrieben. Heütte haben wir den gantzen tag den hirsch gejagt, ist also sehr spät nun. Waß hatt der printz von Weimar ahn den füßen, daß er nicht gehen kan? Adieu, hertzallerliebe Louisse! Ich hoffe, daß Ihr mir berichten werdet, welchen tag Ihr weg geht, damitt ich wißen möge, wen ich meine brieff ahn monsieur Martine geben solle. Gott gebe Eüch eine glückliche undt gesunde reiß! undt wo Ihr auch sein möget, liebe Louisse, so seydt versich[ert], daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. November 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 485–486
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0676.html
Änderungsstand:
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