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Brief vom 15. Oktober 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


959.


[408]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 15 8br 1718, umb ein virtel auff 10 morgendts (N. 19).
Hertzallerliebe Louise, wie ich vorgestern von Paris fuhr, wo ich zu mittag geßen hatt, gab man mir Ewer liebes schreiben, welches ich gleich, laß, wie ich ahnkommen war, unterdeßen daß man ahnricht. Den ich ob ich zwar abendts nichts mehr eße, alß ein stück brodt undt 2 maul voll salat, so bleib ich doch ahn taffel, undt unterdeßen, daß mademoiselle undt meine damen eßen, winde ich meine uhren auff, endere von ring. Ahn der lincken handt trag ich einen auß obligation undt werde ihn all mein leben tragen zur gedachtnuß meiner lieb bayerischen dauphine, die mir einen gelben demant deßwegen gelaßen. Were ich vor I. L. s. gestorben, hette sie einen von meinen ringen all ihr leben lang getragen. Ich bin, seyder ich ihn habe, nur zwey zeitten geweßen, ohne ihn zu tragen, nehmblich in den kinderblattern undt wie ich den arm verrengt hatte. Ich war nach Paris gefahren, umb meine trawerige grillen ein wenig zu vertreiben; aber waß ich zu Paris funden, hatt mir sie eher vermehret, alß vermindert; den ich fuhr zum könig, der sicht so gottserbarmblich[1] übel auß, daß ich recht erschreck undt drüber aufffuhr. Daß arme kindt hatt 3 tag so erschreckliche zahnschmertzen gehabt, daß er tag undt nacht ohne ruhe geweßen, man sichts ihm woll ahn. Gott wolle ihn bewahren! den sein todt kämme nie übeller apropo, alß nun. Ich ging in eine commedie von andere seilldantzer, meinte, sie würden so poßirlich undt artlich sein, alß die vor 8 tagen; aber sie wahren weit davon, [409] habe mein tag deß lebens nichts alberers gesehen undt gehört. Die auff dem theatre wahren, hatten die gedult, zu erwartten, daß die commedie gantz auß war; sie ließen daß tuch im 3ten acten fahlen, daß machte mehr lachen, alß die gantze comedie. Wie wir weg fuhren, kamme ein windt, daß ich meinte, daß die kutsch, worinen wir wahren, wurde umbgewehet werden. Wir kammen doch ohne accident glücklich hir ahn. Nun ist es auch einmahl zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme, will Eüch, liebe Louise, nur noch vorher sagen, warumb ich heütte andtworte. Morgen fahre ich nach Paris undt habe ahn mein dochter zu schreiben, ehe ich weg fahre, forchte also, nicht zeit genung zu finden, ahn Eüch zu schreiben, undt ich will doch mein versprechen halten, keine post vorbeygehen zu laßen, ohne Eüch von meinen brieffen zu schicken, liebe Louise! Drumb an[t]worte ich dießen morgen, werde aber erst morgen mein paquet machen. Deß duc du Maine sach ist nicht von denen, so vorbey gehen können, insonderheit so lang die zwey alten zotten leben wehren,[2] die Maintenon undt princesse des Ursin; den die stifften den duc du Maine[3] undt sein klein teüffelgen, die gemahlin, zu alles böße ahn. Die des Ursin hatt daß noch gutte, daß sie unßern herrgott nicht ins spiel mischt undt die devotte nicht spilt, wie die unßerige hir.[4] Mein sohn ist gewiß nicht in sicherheit undt daß ängstiget mich. Ich thue, waß ich kan, mich die angsten zu benehmen. Ich bette fleißig, ich ergebe meinen sohn gott dem allmächtigen undt nehme resolution, mich gantz in seinem willen zu ergeben, allein es will nicht allezeit hafften; ein recht mütterliches hertz ist zu tendre vor einen eintzigen sohn, umb nicht mitt schaudern zu betrachten, waß geschehen kan, undt nachts kompts mir im traum vor undt macht mich auffahren, daß mir daß hertz zittert. Man zämbt eher die lewen, tiger undt alle grausame thier, alß böße leütte. Wen nur ein feindt wehre, so were daß alte teütsche liedt gutt; aber wo vielle seindt undt deren die helffte [410] auß purem haß, aber all zusamen auß purem geitz, ambition undt interesse agiren, die seindt nicht zu zähmen, waß man auch thun mögte. Alle, die raisoniren, wißen nicht, in welchen bößen standt man meinem sohn diß konigreich aberlaßen hatt. Wen leütte eine verenderung sehen, meinen sie gleich, sie müßen alle reich werden; drumb erfrewen sie sich gleich undt loben den, so regirt; geschicht daß aber nicht, wie es den nicht geschehen kan, oh, alßdan blasmiren sie so viel, alß sie gelobt haben. Wen solche klagten nur in bloßen wortten bestunden, gings noch woll hin, aber die caballen seindt zu arg, insonderheit wen sie nach dem leben trachten. Den könig von Englandt halte ich auch nicht in großer sicherheit deß lebens. Wen unßer herrgott länder straffen [will,] erlaubt er offt, daß daß die maß der boßheit voll wirdt, ehe er alles exterminirt; deßen seindt viel exempel in der heylligen schriefft. Wir haben alle hoch von nöhten, daß gutte seelen vor unß bitten, thut mir also gefahlen, vor unß zu betten;[5] wir seindt Eüch ja nahe genung dazu, liebe Louisse! Ich glaube, daß Ewer rukenwehe ein rhumatisme ist; mir kommen offt so ahn, die courire ich mitt pomade divine. Die gültene ader ist es nicht, wen man sein bludt, die die feigwartzen verliehrt; es [wäre] mir recht leydt, wen Ihr daß haben soltet, den es gar schmertzlich sein solle. Gott bewahre Eüch davor undt laße doch Ewern docktor dießmahl lügen! will lieber, daß es ein rhumatisme sein mag, so, ich glaube, eher zu heyllen ist. Alle, die hir die talckgemahls sehen, admir[ir]en sie, seindt auch in der that recht artig; verlangt mir, zu vernehmen, waß sie kosten. Ey, liebe Louisse, last Eüch nicht bang sein vor den unkosten vor die kirbe,[6] so ich Eüch schicken werde! Ich werde gar nicht ruinnirt davon werden. Die fraw oder dame, so mir die hundert pistollen deß jahrs abfordert, sich zu meubliren undt ihre cammermagt zu unterhalten,[7] setzt dazu, sie könte ihren man woll obligiren, ihr die hundert pistollen zu geben, aber wie sie 2 söhne ins konigs regiement hatt, denen der vatter nicht alles gibt, waß ihnen nöhtig ist, so mögte ihnen dießes schaden, drumb will sie, daß ichs geben solle; aber, wie daß sprichwort sagt: A sotte demande point de responce, so habe ich ihr nicht geantwortet. Den brieff von der marquise de Breme hab ich nicht entpfangen. Die liebe vor madame Dangeau muß [411] nicht groß bey ihrer fraw schwester, der fürstin von Ussingen, sein, daß sie ihr so selten schreibt. Englische personnen incomodiren sich in nichts; habe woll gedacht, daß die lieb größer bey Eüch vor sie, alß ihre vor Eüch, were. Englander wißen auch nicht, waß dankbarkeit ist. Herr graff von Degenfelt ist ein Teütscher undt hatt auch, wie ich sehe, ein teütsch gemühte, also kein wunder, daß Ihr ihn lieber habt, alß Ewere englische niepcen. Sie haben Caroline zu frühe verlohren, umb unßere teütsche maniren gelernt zu haben. Waß wolt Ihr sagen, liebe Louisse? Ich sehe nicht den geringsten fehler ahn Ewern papir undt keine ursach, Ewern brieff wider abzuschreiben. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet; morgen werde ich Eüch noch einen gutten morgen geben, damitt mein brieff frischer sein mag. Nun aber werde ich mich, met verlöff, met verlöff, waschen undt hernach ahnziehen undt in kirch gehen, von dar ahn taffel, gleich nach dem eßen spatziren fahren zu Chausseray,[8] so mein freüllen geweßen, eine gutte, lustige hersch, so viel verstandt hatt, alle zeittungen[9] weiß. Erfahre ich waß artigs, werde ichs Eüch dießen abendt schreiben, wo nicht, so last Eüch ahn der versicherung vergnügen,[10] daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, liebe Louisse!
Sontag, den 16 8br, umb ein viertel auff 7 morgendts, 1718.
Einen glückseligen gutten morgen, hertzallerliebe Louise! Ich habe seyder gestern nichts neües vernohmen, kan also nichts anderst hir zusetzen, alß daß ich Eüch heüte eben so lieb, alß gestern, habe undt daß mich die arme fraw Zachmanin greülich jammert; den sie hatt keine hoffnung mehr zu ihres mans geneßung. Er kan nicht mehr pißen; ob man ihm zwar schon 8 maß waßer abgezogen, geschwilt er wider auffs neü.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Oktober 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 408–411
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0959.html
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