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Brief vom 23. Oktober 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


961.


[416]
St Clou, den 23 8br 1718, umb 8 uhr morgendts (N. 22).
Hertzallerliebe Louise, vergangen freytag habe ich erst Ewer liebes schreiben vom 8, no 78, dießes monts entpfangen, weiß nicht, wo es so lang muß stecken blieben sein. Gestern habe ich zu Paris noch eines von Eüch entpfangen von Heydelberg vom 15, no 81. Aber es muß mir noch eins fehlen, nehmblich no 80, daß ich noch nicht habe, wirdt vielleicht auch erst hernach kommen, wie daß von no 78 erst nach dem von Heydelberg, no 79, kommen ist. Daß vom 9, no 78, werde ich heütte beantworten undt, wo mirs moglich ist, noch waß auff daß frischte sagen. Ich sag, wo mirs möglich ist, den ich habe heütte 3 brieff in Lottringen zu schreiben. Wie ich sehen, so gehen meine schreiben, liebe Louisse, richtiger, alß die Ewerige. Wen mir nichts widerwertiges zustöst, ist es etwaß rares undt kan es vor einen glücklichen tag schätzen. Nichts verbeßert sich hir, man muß nur zufrieden sein, wen nichts neües schlimes [417] vor handen kompt. Es ist leicht zu finden, warumb mein sohn in gantz Franckreich gehast ist. Die alte zot,[1] der duc du Maine undt seine gemahlin, wie auch die gantze spanische parthey haben eygene leütte, die von hauß zu hauß gehen undt meinen sohn alß ein munster[2] außschreyen, alß ein vergiffter, einen dieb, der alles stiehlt, da doch mein sohn der desinteressirtste mensch von der welt ist undt so gutt, daß er recht betrübt ist, wen er nicht alles guts thun kan, so er wünscht, undt so incapabel, menschen zu vergifften, daß er keinen thier leydt thun kan; aber sie haben ihre ursachen undt dessein formirt, so sie folgen. Solche sachen seyndt jederzeit in den regencen geweßen, die ambition threhet manchem den hirnkasten. Vor alle gutte wünsche dancke ich Eüch sehr. Gott stehe unß bey! wir habens hoch von nöhten, hertzliebe Louisse! Gott ist mein zeüg, daß ich Eüch gern dinnen wolte in alles, waß in meinem vermögen stehet; allein betracht, daß ein gouvernement zu geben, eine recompens ist, daß der graff Degenfelt dem könig in Schweden nie gedint hatt, also kein recompens von I. M. pretendiren kan, daß der könig so viel officirer hatt, so noht undt ellendt mitt ihm in der Türckey außgestanden haben, würde es denen nicht eine große mor[ti]fication sein, einen bludtsfrembten menschen zu bekommen sehen, waß sie mitt trewen dinsten pretendiren können? Daß deücht mir nicht billig zu sein. Hette graff Degenfelt dießem könig gedint undt daß es nur umb die preferance zu thun were, so were die sach billig undt würde es gleich ohne difficultet thun. Ich sage Euch, liebe Louise, wie ich es dencke; allein findt Ihr, daß meine reflectionen nicht just sein undt es noch zeit ist, davon zu sprechen, könt Ihr mirs nur berichten, so werde ich thun, [was ich kann.] Wir haben keinen schwedischen abgesanten zu Paris, nur einen envoyes, so monsieur Croonstrom[3] heist, ein gutter, ehrlicher man, der gutten verstandt [hat.] Es ist schon über 30 jahr, daß er hir envoyes ist. Waß hatt den Stralheim gethan, daß man so übel mitt ihm verfährt? Wie ich Ewer schreiben donnerstag noch nicht hatte, habe ich mein paquet auff Heydelberg adressirt. Solte mir leydt sein, wen es verlohren gehen solte; den die 6 Louis d’or vor die talckschächtelger seindt drinen. Es ist kein klein paquet, so leicht verlohren könte werden; den daß gelt undt mein brieff [418] seindt in einem gewirkten porte-lettre. Suson ihr glück ist schlecht, eine altes weib schuldter zu küßen.[4] Ich habe gestern durch ihren man ahn monsieur Guenau schreiben laßen. Mein sohn klagt sehr über ihn; er will einen apostel abgeben undt docmatissiren; daß geht hir nicht ahn, wirdt seinen glaubensgenoßen damitt mehr schaden, alß guts thun undt machen, daß man mehr mitt den pasporten einhalten wirdt. Ich habs errahten, dießer Gueneau ist ein petit neuveu von dem, so premier medecin bey dem verstorbenen konig geweßen. Er muß quinten[5] haben, zu pretendiren, hir im landt zu predigen können. Waß mich noch mehr ahn ihm verdrist, ist, daß ich ihm possitivement gesagt, daß er sich keine händel ahnmachen solle undt nicht gedencken, seine niepce nach Englandt zu führen können; daß war ja genung gesagt. Weder madame Le Clair, noch ihre mutter haben keine rotte haar gehabt, sondern blond sandré;[6] daß war daß eintzige, so sie hübsch ahn sich hatte. Ich bin viel contenter von monsieur Marion, alß von monsieur Gueneau; den er hatt mir nichts vorwerffen machen undt sich woll comportirt, aber monsieur Guenau mitt seiner schlegten mine[7] machts schlegt. Ich bin boß auff ihm undt hette sich erdencken können, daß er sich so übel ahnlaßen solte, würde er keinen pasport bekommen haben. Aber so seindt die Frantzoßen; gibt man ihnen einen finger, so nehmen sie die handt. Solche possen, wie er ahnfengt, macht hernach manche ehrliche leütte leyden, also sehr imprudent. Aber hiemitt genung von monsieur Gueneau mitt der scheffen[8] perücke undt noch scheffern hirnkasten! Es seindt viel leütte, die daß reißen nicht woll vertragen können; so gellte der fürstin von Taxis auch, daß sie so mager geworden. Es scheindt, daß Ihr, liebe Louise, der fürstin von Siegen freündtschafft verlohren. Ich glaube aber nicht, daß es nöhtig sein wirdt, einen pfahrer hollen zu laß[en,] umb Eüch über dieß unglück einen trost einzusprechen. Gemächlichkeit ist eine ahngenehme sach undt zu allen zeitten gutt; ich halte auch viel davon, undt wen es meine gesundtheit nicht so absolutte nohtig wehre, bewegung zu haben, bliebe ich viel öffter in meiner cammer, alß ich thue. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben no 78 vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß vom 15 8br, [419] no 81, so ich, wie schon gesagt, gestern zu Paris entpfangen. Wie Ihr mir die pfaltzgraffin beschreibt, muß sie hofflich, wollgezogen undt ahngenehm sein. Wer ist die oberhoffmeisterin? Ihr sagt ihren nahmen nicht. Ist der eßsahl noch zu Schwetzingen, der einen erker hatt, so auff den vorhoff undt die mühl sicht? Zu meiner zeit logirte mein bruder s. in dem apartement. I. G. der churfürst, unßer herr vatter, undt Ewer fraw mutter wahren im zweytten stockwerck, wo die cammern lustiger sein undt über den garten ins flache felt sehen. Ich logirte just gegenüber die brück undt daß thor vom schloß. Hatt man ein stockwerck hinter diß apartement gemacht, so muß der graben gefühlt sein worden. Habt Ihr meine cammer nicht mehr gekendt? Aber wie nun alles dort geendert ist, würde ich sie woll selber nicht mehr kenen; keinen thurn weiß ich zu Schwetzingen, alß die zwey schwindelstiegen, oder schnecken, welches gantz oben ein cabinet, so eine schönne außsicht hatt undt wo man daß schloß zu Heydelberg perfect sicht. Wen mäner alt werden, steht es ihnen beßer, dicker, alß mager, zu werden; daß gibt ihnen gutte minen. I. L. deß churfürstens zu Pfaltz undt meine corespondentz geht de loin a loin.[9] Ich habe gehört, daß I. L. daß schreiben [nicht angenehm ist,] drumb will ich ihnen nicht ohne nohtwendigkeit mitt schreiben belästigen. Ihr habt recht woll geantwortet, liebe Louise! Es ist gewiß, daß ich dem churfürsten hertzlich gern dinnen wolte, allein dieße sach stehet weder bey meinem sohn, noch bey mir, sondern sondern bey dem königlichen raht, dem mein sohn nicht zuwider sein [darf.] Es ist doch ein glück, daß der marechal d’Huxel[10] nichts mehr zu desidiren[11] hatt; den der war abscheülich gegen Churpfaltz undt dem hertzog von Lotteringen undt alle teütsche fürsten. Es ist gewiß, daß ich I. L. den churfürsten sehr estimire. Man hofft seyder gestern, daß der herr Zachman außer gefahr ist; aber mitt dießer kranckheit ist es eine falsche sache, man meint offt, daß die leütte gantz courirt sein, sterben darnach auff einmahl dahin. Daß der churfürst a la poulle gespilt, ist ein zeichen, daß I. L. kein großer liebhaber vom spillen ist. Spilt man nun piquet auff die 4te handt? Ich dachte, man spilte es nur teste a teste. Ihr sagt nicht, ob freüllen Taxis schon [420] ist. Speist man nicht mitt den churfürsten zu Schwetzingen, wie zu meiner zeit? Nachts fahren thut nichts, wen man fackeln hatt. Zu meiner [zeit] küste man niemandts, man gab nur die handt. Ihr werdet mir einen rechten gefahlen thun, liebe Louisse, mir einen abriß vom schloß zu Schwetzingen zu schicken. Heist Ihr graff Carl von Nassau noch Ewern bruder? Wie Ihr mir diß schloß beschreibt, hatt man ihm einen mantel ahngethan. Niemandts in der welt kan mehr Ewere melancoley begreiffen, so Ihr zu Heydelberg undt Schwetzingen entpfindt, alß ich. Es seindt in der that grillen undt zu nichts nicht nutz, allein man kans nicht laßen; nur davon zu reden, macht mir daß hertz gantz schwer, weillen es mich ahn die besten zeitten von meinem leben erinert, welche leyder lengst vorbey sein. Ihr heist den h. von Wollzogen alt undt er ist viel junger, alß Ihr undt ich. Segt Ihr ihn ei[n]mahl wieder, so grüst ihn doch freündtlich von meinetwegen undt fragt ihn, wo sein bruder Carl hinkommen ist! Er war ein hübscher, artiger bub. Daß der arme Ludel todt ist, weiß ich; die fraw von Rotzenhaussen hatt mirs gesagt, daß er bey seinem schwager, ihrem bruder, gestorben ist.[12] Daß arme Evel,[13] seine schwester, habe ich woll von hertzen lieb gehabt, Ewerer fraw von Veningen Schwiegermutter, er[14] woll ein gutt mensch. Mich verlangt, wieder zeittung von Eüch zu haben, umb zu wißen, wie Ewer reiße abgeloffen undt ob Ihr waß wehrt[15] außgericht haben bey Churpfaltz, wie ich es von hertzen wünsche undt es auch billig undt recht were. Lenor helt ihre geschwey ein wenig vor interessirt undt protzesisch; der sohn will es aber nicht gestehen, sagt, man thut sein[e]r mutter [unrecht;] weillen es aber Ewere baß, die fraw von Veningen, confirmirt, so glaube ich es, finde es aber nicht schön. Interesse ist die verfluchste sach von der welt, so alles verdirbt auff den gantzen erdtbotten, so die weldt falsch undt untrew macht. Ich habe einmahl eine medaille von bley von teütschen meister gesehen, ich glaube, es ist der itzige churfürst von Trier; das gliche meinem armen bruder s. so perfect, daß ich meinte, daß es vor ihm gemacht were. Schreibt mir doch, bitte ich Eüch, liebe Louise, ob der churfürst von Trier meinen bruder s. in der that gleicht, oder nicht! Hiemitt seindt Ewere beyde [421] schreiben vollig beantwortet, bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch, liebe Louise, zu versichern, daß ich Eüch, liebe Louisse, von hertzen lieb habe undt behalte.
St Clou, umb ein viertel auff 9 abendts.
Hertzliebe Louisse, ich bin in meiner hoffnung betrogen worden, den ich habe nichts von Eüch bekommen, weiß auch gar nichts neües. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen, liebe Louisse, undt versichere Eüch, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Brief vom 23. Oktober 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 416–421
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0961.html
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Tintenfass