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Brief vom 19. Juli 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1140.


[205]
St Clou den 19 Julli 1720 (N. 10).
Hertzallerliebe Louise, ehe ich auff Ewer liebes schreiben von [206] 21 Juni komme, so ich noch zu beantwortten habe, muß ich vorher auff Ewer liebes undt letztes schreiben andtwortten vom 5 Julli, no 51, woran ich vorgestern geblieben ware, nehmblich ahn den pfaltzischen prediger. Dieß ist ein regal[1] vor Eüch, so gar nicht vor mich wehre. Predigen sie ordinari sachen, die ich schon weiß, schlaff ich drüber ein; predigen sie in ridicule, muß ich lachen, daß deücht auch nichts; also seindt predigen meine sache gar nicht. Da war woll nicht ahn zu zweyfflen, liebe, daß ich wider hofflich ahn den herrn pfarher andtworten würde, welcher sich meiner alß ein gutter, ehrlicher Pfaltzer noch mitt so großer affection erinert; daß touchirt mich allezeit recht. Seyder Monsieur s. todt habe ich nie gefehlt, zu sagen: Wen mir gott daß leben lest, werde ich diß oder jenes thun. Dießer todt hatt mich so sehr frapirt, daß ich es mein leben nicht vergeßen. Die fasten vorher fuhren wir mitt einander in eine predig vom pere Gailliard[2], so gar woll predigt; der predigte, wie man sich zum todt bereydt halten solle, undt machte eine beschreibung vom plötzlichen todt so natürlich, daß es bey Monsieur gar nichts gefehlt undt ist von wordt zu wordt zugangen, wie es der pere Gailliard beschrieben hatte; daß ist mir gleich eingefallen, schaudert mir noch, wen ich dran gedencke[3]. Daß die fraw von Schmittberg über ihres mans todt betrübt ist in dem stande insonderheit, wo sie sich findt, ist woll kein wunder; daß muß sie auch abscheülich erschreckt haben. Tockeyer wein ist gar gesundt, wen er mitt moderation gedrunken wirdt, aber zu viel erhitzt undt verbrendt den innerlichen leib so erschrecklich, daß nichts mehr zu helffen ist. Daß wetter hir ist schon undt nicht heiß, es geht allezeit ein kühler windt. Auß einem von meinen schreiben werdet Ihr, liebe Louisse, ersehen haben, warumb graff Degenfelt noch nicht bey Eüch ist mitt seiner gemahlin undt dochtergen. Ich[4] habt woll recht gehabt, vor ihnen in sorgen zu sein. Aber so geht es mitt der verteüffelten see; man ist nie in sicherheit mitt, wo man hin will, undt offt so baldt in Indien geht, alß nach Hollandt oder Franckreich. Man hatt noch nicht gehört, daß sie in Holland ahnkommen sein; den ein mast wider einzusetzen, kan so geschwindt nicht fertig [sein], nur ein glück, daß sie woll [207] davon kommen sein undt daß schiff von Virginie sie nicht zerschmettert hatt, wie die unglückliche barque, so sich zu Ewer kinder glück darzwischen kommen, zu ihrem unglück aber, weillen sie so zu grundt gangen, daß kein eintziger darvon kommen; daß ist doch erbarmlich. Aber da kommen meine kutschen. Adieu! Dießen abendt, wilß gott, will ich Eüch lenger entreteniren. Ich habe es gleich nach dem eßen nicht thun können; den wie ich ahn meiner toillette geweßen, hatt mir einer von deß königs pagen einen brieff vom marechal de Villeroy [gebracht], worauff ich gleich nach dem eßen habe andtwortten müßen, bin aber im vollen schreiben entschlaffen, habe also zweymahl wider ahnfangen müßen. Daß hatt gewehrt, biß meine kutschen kommen. Wie ich eben in kutsch gestiegen, habe ich eine handt vol brieff bekommen, unter andern einen von Eüch, liebe Louisse, vom 9 dießes monts, no 53, entpfangen. Aber entweder habt Ihr Eüch in Ewerem brieff verschrieben, oder es fehlt mir Ewer schreiben[5] von no 52. Heütte kan ich ohnmöglich auff dießes letzte andtwortten; den monsieur Teray ist kommen, der will, daß ich heütte frühe nach bett solle. Aber unahngesehen seiner ordre muß ich doch noch auff wenigst dießen brieff, so ich heütte morgen ahngefangen, außschreiben. Ich war heütte morgen geblieben ahn Ewere kinder. Ich bin von hertzen fro, liebe Louisse, auß Ewerm letzten schreiben gesehen zu haben, daß Ewere kinder glücklich im Haag ahnkommen sein; den es war mir bang vor ihnen, wie Ihr schon werdet gesehen haben auß waß ich Eüch heütte morgen hirauff gesagt. Ich kan nicht begreiffen, wie man in der welt mitt processen dawern kan; ich stürbe, wen man mich nur obligirte. Ich kan noch weniger begreiffen, wie man solche mühe vor andern nehmen kan; ich könte es ohnmöglich. Die hundtstagen werden nun baldt ahnfangen, alß nehmblich biß mitwog. Die gräffin von Zoettern haben vergangen mitwog mitt mir geßen undt abschidt von mir genohmen, haben nicht eher weg gekönt, seindt beyde gar kranck geweßen; sie haben mir sehr versprochen, Eüch alle paprassen[6] zu schicken, so Ihr begehrt. Gestern seindt sie ernstlich verreist. Wir haben ja den hertzog von Simmern allezeit daß hertzoggen geheißen. Er war kleiner, alß ich; in sein[e]r kleinigkeit war seine taille nicht uneben, aber daß gesicht war so [208] lang, daß sein dicker kopff [und] groß maul sich auff einen so großen leib hette schicken können, alß Frißenhaußen war; hatte schönne zahn undt einen gutten ahtem. Mich wundert, wie Ihr Eüch noch erinern könt, wie I. L. s. mich in kirch zu Heydelberg geführt. Seine braune augen waren nicht heßlich, aber seine lange schwartze haar, undt just wo der hut auffsetzt, wahren seine haar, womitt er die gantze stirn bedeckt, so graw, alß meine jetzt sein. Alß einen vettern, der mir alles vertrawete, waß er auff dem hertzen hatte, hatte ich ihn hertzlich lieb, aber vor einen man hetten I. L. mir nicht gefahlen; habe ihn hertzlich beweint. Er that die naredey, den comte de Guisch[7] in seiner kranckheit zu [besuchen]; der steckt ihn ahn, stürben beyde in gar kurtzer zeit nach einander. Ein jedes hatt sein destin von gott verordtnet, daß muß volzogen werden. So lang daß meine dawern wirdt, liebe Louise, werde ich sein undt bleiben die person, so Eüch ahn liebsten haben wirdt.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Juli 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 205–208
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1140.html
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