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Brief vom 6. März 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1207.


[031]
Paris den 6 Mertz 1721 (N. 71).
Hertzallerliebe Louise, vergangen sontag habe ich Ewer liebes [032] schreiben von 18 Februari zu recht endtpfangen, ist also 12 tag unterwegen geweßen, folgt doch gans geradt, den es ist von no 14. Ich wolte, daß die curieussen, so unßere brieff überleßen, geschicktere übersetzer hetten, alß sie haben. Monsieur de Louvois laße auch alle schreiben[1], aber er hatte gelehrte übersetzer; den die schreiben kammen allezeit zu rechter zeit ahn. Daß bedeckte ein wenig dieße insolentz, daß man mir meine brieff auffmacht undt list; aber der Torcy hatt nie keine so geschickte übersetzer. Ich glaub, es war mitt fleiß, umb nach seinem willen drauß zu lügen können, wie ihm beliebt, welches er bey dem könig s. auch gar offt praticirt. Der abbé Dubois macht es, wie daß frantzosche sprichwordt lautt: C’est un petit chien qui fait comme les grand[s]; il pisse contre le mur, parce qu’il les y voit pisser. Aber ich frag kein haar darnach; den mitt meinem sohn kan er mir keine händel machen, so bößen willen, alß er auch haben mag, den mein sohn kendt ihn undt mich woll; also zu hoffen, daß alle seine boßhafftige intention umbsonst sein wirdt. Es ist woll der böste undt interessiertste pfaff, so man sehen mag; gott wirdt ihn heütte oder morgen straffen[2]. Aber hiemitt genug von dießer sach. Ich komme auff Ewer liebes schreiben wieder. Ich werde alle tag wider beßer, bin gestern wider mitt der hertzogin von Hannover zum ersten mahl seyder meiner kranckheit in die commedie, haben ein poßenspiel von 3 acten [033] gesehen, so all poßirlich undt gantz neü. Es hatt es ein kerl gemacht, den ich gar woll kenne, den er ist deß königs kamerknecht geweßen; damahls hieß er Rivière, nun heist man ihn du Frenie[3]. Er hatt verstandt undt große vivacitet, possirlich, er ist ein poet, mahlt auch undt singt woll, ob er zwar keine gutte stime hatt, singt aber gar just undt macht poßirliche lieder, daß man ihn gern hört; er bildt sich ein undt es könt auch woll war [sein], daß er petit fils von Henry IV ist, sagt, Louis 13 hette es woll gewust undt seinen vett[e]r gar lieb gehabt, ist possirlich hirauff zu hören; er [ist], wie man in der Pfaltz sagt, ein wunderlicher heylliger; er hatt viel kleine commedien gemacht, so alle possirlich sein. Daß ist alles, waß ich Eüch, liebe Louise, vom gesterigen tag sagen kan, in welchem ich mich divertirt hette, wen ich ruig were undt nicht ursach hette, in sorgen zu sein wegen der vielfältigen assambléen von den prince du sang, die ducs et pairs undt daß parlement. Die 2 ersten, so ich genent, ob mein sohn ihnen zwar alle, keinen außgenohmen, mehr, mehr gnaden gethan, alß sie ihr leben von unßern verstorbenen könig entpfangen, gouver[n]ementen, chargen, survivance, waß sie ihm gefordert, hatt er ihnen accordirt; nun er nichts mehr vor ihnen … undt sie reich hatt laßen werden, fürchten sie, daß man ungerecht gutt bey ihnen ersüchen möge, undt haßen meinen sohn so erschrecklich, daß sie gegen ihm in allen stücken undt mögten ihn todt sehen. Daß gemeine volck seindt gutte, fromme leütte zu Paris[4], aber alles, waß man grandseigneurs [heißt], alß prince du sang, ducs, die deügen den teüffel nicht, haben keine christliche sentiementen, weder ehre noch glauben, [sind] undanckbar, haben keinen anderen gott, alß den gott Mamon; interesse, gelt zu ziehen undt zu gewinen, ist ihr eintzige occupation, auff welche art undt weiß es auch sein mag[5], wie man bey dem la Force, marechal Destré undt duc Dantin[6] sicht. Ich muß gestehen, ich fürchte die interessirte leütte, so gar nicht ahn gott glauben; den die folgen nur ihre fantesien undt daß kan weit gehen in boßheit. Also bin ich, seyder ich ihre letzte falschheit erfahren, mehr in sorgen vor meinen sohn, alß nie. Gott stehe unß bey! wir habens hoch von [034] nöhten. Dieße nacht, so meine böße nacht sein solte, ist beßer abgangen, alß ich hette hoffen können. Wie mirs weitter gehen wirdt, werde ich Eüch allezeit berichten, liebe Louise! Heütte werde ich zum ersten mahl wider in die kutsch undt rechte lufft [schöpfen]. Es ist nun, seyder daß wetter auffgangen, nicht mehr kalt, sondern ein gar sanfft wetter. Gott gebe, daß es dawern mag! Ich werde gleich, nachdem ich geßen, zum könig, I. M. zu dancken, daß I. M. vor 3 wochen zu mir kommen undt, so lang ich kranck, 2 mahl deß tags nach mir fragen laßen. Ich will Eüch dießen nachmittag noch berichten, wie ich mich von der lufft entpfinde, liebe Louise! Vor dießem ist sie mir so woll bekommen, daß sie mich offt allein daß fieber vertrieben; aber wen man gar alt wirdt, wie ich nun bin, mogte es woll endern. In 3 stunden werde ich es sehen. Es ist war, liebe Louise, daß der duc de Schomburg allezeit mein gutter freündt geweßen, sein herr vatter undt bruder auch; aber bey jetzigen zeitten ist es etwaß gar rares, wen junge leütte dieselben sentiementen haben, so ihre ältern undt verwanten gehabt; man muß ihnen danck wißen, wen sie es haben. Daß Caroline mich lieb hatte, war kein wunder; den außer, daß wir einander ja so nahe wahren, daß sich daß geblüdt rühren konte, so hatten[7] sie ja zu Heydelberg ihre erste jugendt bey mir zugebracht, sowoll alß Carlutz, Ihr, Amelise undt Friderica, wardt also alle woll ahn mir gewohnt. Ahn armen Carllutz[8] kan ich nicht ohne threnen gedencken. Ich weiß gar woll, wie die husten sein, so einen ohne ahtem machen, daß man meint, zu ersticken; daß geschicht mir gar offt, wen ich den husten habe, undt wie ich weiß, waß es ist, beklage ich Euch desto mehr, liebe Louise! Schreiben ist gewiß nicht gutt bey dem husten, insonderheit wen [man] gegen abendts schreibt; morgendts thut es nicht so viel schaden. Hette ich Eüch nicht in meiner kranckheit geschrieben, würde es mich selbsten geqwelt haben; den ich bin versichert, daß ich Eüch in großen sorgen würde gesetzt haben vor mich, den ich [bin] Ewer affection sehr persuadirt undt hoffe auch, daß Ihr nicht ahn die meine zweyffelt, ob ich zwar nicht glücklich genung geweßen, [daß ich] Eüch jemahlen durch nützliche noch ahngenehme dinsten [035] [dieselbe] habe bezeugen können. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertz[en] undt versichere hiemitt, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalte.
Donn[e]rstag, den 6 Mertz, umb halb 7 abendts.
Wie ich eben die feder nahm, umb Eüch zu b[e]richten, wie ich mich von meinem ersten außgang befunden, wie ich Eüch, liebe Louise, heütte morgen versprochen, so entpfange ich Ewer wehrtes schreiben [vom] 22 Februari, no 15. Daß werde ich aber vor übermorgen versparen; den woll keine aparentz ist, daß ich zwischen heütte undt sambstag ein anderß von Eüch bekommen werde, will also heütte nichts sagen, alß daß ich [mich] gar woll befinde von meiner ersten außflucht; mich deücht, daß mich die lufft gesterckt hatt. Adieu, liebe Louise, biß auff samstag, wo mir gott leben undt gesundtheitt verleyet!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. März 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 31–35
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1207.html
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