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St Clou den 15 Augusti 1720, umb 10 uhr nachmittags (N. 18).
Hertzallerliebe Louisse, da komme ich auß der capel undt bin
zum h. abendtmahl gangen. Jetz[t] will ich Eüch entreteniren undt
auff Ewer liebes schreiben vom 30 Julli, no 59, andtwortten, so
ich vergangen sontag entpfangen, alß ich eben ins Palais-Royal kam;
nur noch vorher sagen, daß mir madame La Barre gestern Ewern
lieben brieff von 22 Julli geschickt hatt. Die arme fraw hatt
abscheüliche hitzige fieber gehabt, so sie ahn ketten gelegt. Ist
woll ein groß glück, daß sie wider zu ihrem verstandt undt sinen
kommen ist. Ihr werdet schon auß meinem letztem schreiben
ersehen haben, daß ich die madame de la Bare lengst kenne; sie ist
in der that eine gutte fraw. Ich finde gar nicht übel, liebe Louise,
daß Ihr mir durch sie geschrieben habt; contrarie ich bin allezeit
froh, wen ich brieff von Eüch entpfangen. Daß ist alles, waß ich
auff den durch madame de la Bare sagen kan. Ich komme jetzt
auff daß von 30 Julli, no 59. Ich kan nicht begreiffen, wo meine
brieff hinkommen müßen; den ich schicke sie alle sontags undt
donnerstags auff die post, kan also nicht begreiffen, wie etliche
ahnkommen undt die andern nicht. Waß man gesagt, daß der könig
nach Versaillen mitt dem gantzen hoff würde, dieße zeittung kompt
nur, weillen man Versaillen meublirt hatt; aber daß thut man alle
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jahr wegen der meublen; der könig wirdt gewiß nicht hin, man
denckt nicht dran. Nun ich hir gantz eingerüst bin, frag ich auch
nichts darnach. Versaille würdte mich zu trawerig machen, so ein
gantz ander leben dort zu sehen, alß ich gewohnt geweßen; würde
auch gar zu andt nach unßerm könig thun
[1]. Wen ich unßern
jungen könig in der großen kutsch sehe, wo ich so manch mahl
mitt unßerm könig auff die jagt gefahr[e]n undt alle reißen so lustig
gethan, kan ich es nicht ohne threnen sehen, will geschweygen den
daß arme Versaillen. Alles ist, gott seye danck, gar still zu Paris
jetzundt, seyder daß parlement fort ist, die
[2] alles gegen meinem
sohn aufgewickelt hatte; drumb hatt er sie nach Pontoise geschickt
[3].
Da entpfange in dießem augenblick Ewer liebes schreiben vom 3ten
dießes monts, no 60, undt sehe darauß, daß Ihr zwey von meinen
schreiben entpfangen habt, werde also weytter nichts von der post
sagen. Ewer letztes liebes schreiben werde ich vor sontag sparen,
wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, nun aber nur auff
daß fortfahren, so ich ahngefangen, alß Ewer schreiben ahnkommen.
Ich habe dießen brieff schon mehr, alß 10 mahl, interompirt; heütte
morgen hatte ich ihn ahngefangen, habe ein gutt werck zu thun
gehabt, nehmblich die fraw von Rotzenhaußen mitt ihrer jüngsten
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dochter zu vergleichen, die sich wider ihren willen mitt einem
frantzoschen edelman, so La Paleterie
[4] heist, verglichen
[5] hatt auß
befehl ihres beichtvatters. Die arme hexs, die Louisse, hatt mich
recht gejammert; den es war ihr so bang vor ihrer mutter, daß sie
gezittert hatt wie ein espenlaub, undt hatt so bitterlich geweint,
daß ich beim haar mitt ihr geweint hette. Aber sie seindt, gott
lob, wider verglichen
[6]. Hernacher bin ich ahn taffel, nach dem
eßen habe ich meine brieffe geleßen, bin hernach in die kirch, daß
hatt biß 5 gewehrt. Da bin ich in calesch, den es ist zwey tag,
daß ich nicht außgangen bin. Vorgestern war mein großer
schreibtag undt gestern muste ich in kirch undt zur beicht, konte also
nicht … that nur ein tour zu fuß in die orangerie, hatt aber
wegen daß donnerwetter, so in der lufft, ein solch erschrecklich
wehe in den schenckelen, daß ich nicht recht gehen kan, habe also
die frische lufft nehmen wollen. Der regen aber hatt mi[c]h auß
dem gartten gejagt undt mein enckel, den duc de Chartre[s], auß
dem mail. Wie ich herre[i]n, habe ich madame la duchesse de
Villar[s] mitt ihrem man hir gefunden, hab hernach einen brieff von
unßer großhertzogin bekommen; daß habe ich gleich beantwortten
müßen. In der zeit ist mein sohn kommen, der hatt mich
auffgehalten, biß daß es schir nacht worden, habe also nicht eher, alß nach
8 uhr, wider zum schreiben gelangen können. Nun will ich fortfahren.
Die Parisser leüte seindt die besten leütte von der welt; wen daß
parlement sie nicht auffgewickelt hette, hetten sie sich ihr leben nicht
entpört. Ach, [die] armen leütte haben mich recht touchirt; den sie haben
nur gegen monsieur Laws undt nicht gegen meinen sohn geschriehen,
undt wie ich in der statt durch den pöpel fuhr, gaben sie mir
lautter benedictionen
[7], haben mich so touchirt, daß ich schir geweint
hette. Es ist kein wunder, daß man mein sohn nicht so sehr, alß
mi[c]h, liebt; daß thun seine feinde, so ihn vor einen gottloßen
menschen außschreyen undt vor einen bößen man
[8], da er doch in
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der that der beste mensch von der welt ist undt nur gar zu gutt.
Waß ich auch von monsieur Laws sisteme habe rühmen hören, so
habe ich es nicht allein nicht verstanden, sondern auch allezeit fest
geglaubt, daß es kein gutt endt nehmen könte. Ich kan kein blat
vors maul nehmen; ich habe es meinem sohn blatt heraußgesagt;
aber er sagt, ich judicire übel davon, weillen ich nicht begreiffen
könte, hatt es mir außlegen [wollen], aber je mehr man mir davon
spricht, je weniger kan ich es begreiffen. Daß man einem auff den
Blocksberg wünscht, ist ein alt teütsch sprichwordt
[9]; ich habe aber
nie gewust, wo der Blocksberg eygendt[lich] ist
[10]. Ich bin aber die
sachen so müde, daß ich von waß anderst reden will. Weniger
unruhe kan mir woll kommen, wen es gottes will were, aber
freüden, liebe Louise, die können mir nicht kommen; dancke Eüch
doch, mir solches zu wünschen. Ich habe hir kein wordt davon
gehört, daß ein frantzöscher envoyes in die Pfaltz geschickt worden,
glaube es also nicht, will es doch meinen sohn morgen fragen. In
dießer jahrszeit undt wen es zum herbst geht, gibt es ordinarie
kranckheit; ich aber habe dieße lufft nie schlim gefunden, bin
mein leben nicht krank dort geweßen. I. G. s. der churfürst hatt
Manheim woll hertzlich lieb gehabt, mein bruder s. aber hatt
Heydelberg lieber. Ich scheüe die hitze nicht, drumb war ich gern zu
Manheim. Es were mir leydt, wen daß schloß zu Manheim nicht
außgebaut [würde]. Wir seindt ja gar offt im sommer dort
geweßen. Ach, mein gott, ich weiß nur zu woll, waß I. G. s. umbs
leben gebracht hatt, darff es aber nicht sagen
[11]. Man weiß woll,
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waß meinen armen bruder umbs leben gebracht hatt, daß hatt der
verfluchte Langhans
[12] undt Winkler
[13] gethan
[14]; sie habens dem
hertzog von Neüburg selber gestanden. Der hatt sie (welches man
ihm zum ewigen lob nachsagen muß) gleich in verhafft nehmen
laßen
[15]. Gott wolle Eüch, liebe Louise, noch viel freüde undt trost
ahn den gutten Pfältzern erleben laßen! Gott mag wißen, wo mein
schreiben no 7 vom 7 Julli mag hinkommen sein. Ich hoffe, daß es
sich doch endtlich finden wirdt. Der czaar hatt bey mir außgekocht
[16],
seyder er seinen eintzigen sohn umbs leben gebracht
[17]; vorher kondte
ich ihn recht woll leyden
[18]. Unsere s. churfürstin hatt mir so viel
guts von dießem herrn geschrieben, daß ich gantz seine partissanin
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wahr. Verstandt hatt er undt hohe gedancken, daß ist gewiß.
Mich deücht, der keyßer fragt nicht viel nach ihm. Ich weiß gar
woll, daß unßer graff von Hannaw nicht todt; er hatt hir etwaß
gethan, so weder schön, noch loblich ist. Er kompt her, lehnt bey
der fraw von Ratsamshaussen 200 louisdor, so sie eben von ihren
pentionen
[19] entpfangen, verspricht ihr hoch undt [theuer], ihr es
gleich wider zu geben laßen in selben especen; aber er wahrt 6
jahr, daß sie nichts von ihm hört. Diß jahr schickt er die
bezahlung in alten verschlißenen billiet de monoye; daß ist wüst
gehandelt in meinem sin undt ein undanckbar stück, ich kans nicht
rühmen
[20]. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben doch vollig beantwortet.
Es bleibt mir nichts überig, alßo kan ich nichts mehr sagen, alß
das ich Eüch, liebe Louisse, eine gutte nacht wünsche undt von
hertzen lieb behalte.