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Brief vom 15. August 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1148.


[236]
St Clou den 15 Augusti 1720, umb 10 uhr nachmittags (N. 18).
Hertzallerliebe Louisse, da komme ich auß der capel undt bin zum h. abendtmahl gangen. Jetz[t] will ich Eüch entreteniren undt auff Ewer liebes schreiben vom 30 Julli, no 59, andtwortten, so ich vergangen sontag entpfangen, alß ich eben ins Palais-Royal kam; nur noch vorher sagen, daß mir madame La Barre gestern Ewern lieben brieff von 22 Julli geschickt hatt. Die arme fraw hatt abscheüliche hitzige fieber gehabt, so sie ahn ketten gelegt. Ist woll ein groß glück, daß sie wider zu ihrem verstandt undt sinen kommen ist. Ihr werdet schon auß meinem letztem schreiben ersehen haben, daß ich die madame de la Bare lengst kenne; sie ist in der that eine gutte fraw. Ich finde gar nicht übel, liebe Louise, daß Ihr mir durch sie geschrieben habt; contrarie ich bin allezeit froh, wen ich brieff von Eüch entpfangen. Daß ist alles, waß ich auff den durch madame de la Bare sagen kan. Ich komme jetzt auff daß von 30 Julli, no 59. Ich kan nicht begreiffen, wo meine brieff hinkommen müßen; den ich schicke sie alle sontags undt donnerstags auff die post, kan also nicht begreiffen, wie etliche ahnkommen undt die andern nicht. Waß man gesagt, daß der könig nach Versaillen mitt dem gantzen hoff würde, dieße zeittung kompt nur, weillen man Versaillen meublirt hatt; aber daß thut man alle [237] jahr wegen der meublen; der könig wirdt gewiß nicht hin, man denckt nicht dran. Nun ich hir gantz eingerüst bin, frag ich auch nichts darnach. Versaille würdte mich zu trawerig machen, so ein gantz ander leben dort zu sehen, alß ich gewohnt geweßen; würde auch gar zu andt nach unßerm könig thun[1]. Wen ich unßern jungen könig in der großen kutsch sehe, wo ich so manch mahl mitt unßerm könig auff die jagt gefahr[e]n undt alle reißen so lustig gethan, kan ich es nicht ohne threnen sehen, will geschweygen den daß arme Versaillen. Alles ist, gott seye danck, gar still zu Paris jetzundt, seyder daß parlement fort ist, die[2] alles gegen meinem sohn aufgewickelt hatte; drumb hatt er sie nach Pontoise geschickt[3]. Da entpfange in dießem augenblick Ewer liebes schreiben vom 3ten dießes monts, no 60, undt sehe darauß, daß Ihr zwey von meinen schreiben entpfangen habt, werde also weytter nichts von der post sagen. Ewer letztes liebes schreiben werde ich vor sontag sparen, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, nun aber nur auff daß fortfahren, so ich ahngefangen, alß Ewer schreiben ahnkommen. Ich habe dießen brieff schon mehr, alß 10 mahl, interompirt; heütte morgen hatte ich ihn ahngefangen, habe ein gutt werck zu thun gehabt, nehmblich die fraw von Rotzenhaußen mitt ihrer jüngsten [238] dochter zu vergleichen, die sich wider ihren willen mitt einem frantzoschen edelman, so La Paleterie[4] heist, verglichen[5] hatt auß befehl ihres beichtvatters. Die arme hexs, die Louisse, hatt mich recht gejammert; den es war ihr so bang vor ihrer mutter, daß sie gezittert hatt wie ein espenlaub, undt hatt so bitterlich geweint, daß ich beim haar mitt ihr geweint hette. Aber sie seindt, gott lob, wider verglichen[6]. Hernacher bin ich ahn taffel, nach dem eßen habe ich meine brieffe geleßen, bin hernach in die kirch, daß hatt biß 5 gewehrt. Da bin ich in calesch, den es ist zwey tag, daß ich nicht außgangen bin. Vorgestern war mein großer schreibtag undt gestern muste ich in kirch undt zur beicht, konte also nicht … that nur ein tour zu fuß in die orangerie, hatt aber wegen daß donnerwetter, so in der lufft, ein solch erschrecklich wehe in den schenckelen, daß ich nicht recht gehen kan, habe also die frische lufft nehmen wollen. Der regen aber hatt mi[c]h auß dem gartten gejagt undt mein enckel, den duc de Chartre[s], auß dem mail. Wie ich herre[i]n, habe ich madame la duchesse de Villar[s] mitt ihrem man hir gefunden, hab hernach einen brieff von unßer großhertzogin bekommen; daß habe ich gleich beantwortten müßen. In der zeit ist mein sohn kommen, der hatt mich auffgehalten, biß daß es schir nacht worden, habe also nicht eher, alß nach 8 uhr, wider zum schreiben gelangen können. Nun will ich fortfahren. Die Parisser leüte seindt die besten leütte von der welt; wen daß parlement sie nicht auffgewickelt hette, hetten sie sich ihr leben nicht entpört. Ach, [die] armen leütte haben mich recht touchirt; den sie haben nur gegen monsieur Laws undt nicht gegen meinen sohn geschriehen, undt wie ich in der statt durch den pöpel fuhr, gaben sie mir lautter benedictionen[7], haben mich so touchirt, daß ich schir geweint hette. Es ist kein wunder, daß man mein sohn nicht so sehr, alß mi[c]h, liebt; daß thun seine feinde, so ihn vor einen gottloßen menschen außschreyen undt vor einen bößen man[8], da er doch in [239] der that der beste mensch von der welt ist undt nur gar zu gutt. Waß ich auch von monsieur Laws sisteme habe rühmen hören, so habe ich es nicht allein nicht verstanden, sondern auch allezeit fest geglaubt, daß es kein gutt endt nehmen könte. Ich kan kein blat vors maul nehmen; ich habe es meinem sohn blatt heraußgesagt; aber er sagt, ich judicire übel davon, weillen ich nicht begreiffen könte, hatt es mir außlegen [wollen], aber je mehr man mir davon spricht, je weniger kan ich es begreiffen. Daß man einem auff den Blocksberg wünscht, ist ein alt teütsch sprichwordt[9]; ich habe aber nie gewust, wo der Blocksberg eygendt[lich] ist[10]. Ich bin aber die sachen so müde, daß ich von waß anderst reden will. Weniger unruhe kan mir woll kommen, wen es gottes will were, aber freüden, liebe Louise, die können mir nicht kommen; dancke Eüch doch, mir solches zu wünschen. Ich habe hir kein wordt davon gehört, daß ein frantzöscher envoyes in die Pfaltz geschickt worden, glaube es also nicht, will es doch meinen sohn morgen fragen. In dießer jahrszeit undt wen es zum herbst geht, gibt es ordinarie kranckheit; ich aber habe dieße lufft nie schlim gefunden, bin mein leben nicht krank dort geweßen. I. G. s. der churfürst hatt Manheim woll hertzlich lieb gehabt, mein bruder s. aber hatt Heydelberg lieber. Ich scheüe die hitze nicht, drumb war ich gern zu Manheim. Es were mir leydt, wen daß schloß zu Manheim nicht außgebaut [würde]. Wir seindt ja gar offt im sommer dort geweßen. Ach, mein gott, ich weiß nur zu woll, waß I. G. s. umbs leben gebracht hatt, darff es aber nicht sagen[11]. Man weiß woll, [240] waß meinen armen bruder umbs leben gebracht hatt, daß hatt der verfluchte Langhans[12] undt Winkler[13] gethan[14]; sie habens dem hertzog von Neüburg selber gestanden. Der hatt sie (welches man ihm zum ewigen lob nachsagen muß) gleich in verhafft nehmen laßen[15]. Gott wolle Eüch, liebe Louise, noch viel freüde undt trost ahn den gutten Pfältzern erleben laßen! Gott mag wißen, wo mein schreiben no 7 vom 7 Julli mag hinkommen sein. Ich hoffe, daß es sich doch endtlich finden wirdt. Der czaar hatt bey mir außgekocht[16], seyder er seinen eintzigen sohn umbs leben gebracht[17]; vorher kondte ich ihn recht woll leyden[18]. Unsere s. churfürstin hatt mir so viel guts von dießem herrn geschrieben, daß ich gantz seine partissanin [241] wahr. Verstandt hatt er undt hohe gedancken, daß ist gewiß. Mich deücht, der keyßer fragt nicht viel nach ihm. Ich weiß gar woll, daß unßer graff von Hannaw nicht todt; er hatt hir etwaß gethan, so weder schön, noch loblich ist. Er kompt her, lehnt bey der fraw von Ratsamshaussen 200 louisdor, so sie eben von ihren pentionen[19] entpfangen, verspricht ihr hoch undt [theuer], ihr es gleich wider zu geben laßen in selben especen; aber er wahrt 6 jahr, daß sie nichts von ihm hört. Diß jahr schickt er die bezahlung in alten verschlißenen billiet de monoye; daß ist wüst gehandelt in meinem sin undt ein undanckbar stück, ich kans nicht rühmen[20]. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben doch vollig beantwortet. Es bleibt mir nichts überig, alßo kan ich nichts mehr sagen, alß das ich Eüch, liebe Louisse, eine gutte nacht wünsche undt von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. August 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 236–241
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1148.html
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