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Brief vom 28. Februar 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1307.


[336]

A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

Paris den 28 Februari 1722 (N. 71).
Hertzallerliebe Louise, ich habe noch bißher nicht auff Ewer liebes schreiben vom 10 Febr[uari], no 12, andtwortten konnen. Gott gebe, daß ich es heütte möge thun! Aber ich kan in Paris nie gutt davor sein, den man findt allezeit verhinderungen undt interuptionen. Ich glaube nicht, daß ein verdrießlicher[er] ort in der welt ist, alß Paris. Ich bins woll hertzlich müde; so baldt wir Quasi modo genite[1] werden er[r]eicht haben, werde ich nicht mehr lang hir hocken. Es wirdt mir sein, alß wen ich im paradis werde sein, wen ich die gutte undt frische lufft von St Clou wieder verspüren werden. Aber es ist noch lang hin, werde unterdeßen noch viel verdrießliche stundten haben, insonderheit übermorgen. Da muß ich der zukünfftigen konigin[2] entgegen fahren 3 meil von hir ahn ein ort. Ich werde meine kutsche gantz voller princessinen du sang haben, madame de Vantadour[3] wirdt die infantin auff ihrem schoß haben undt wir werden alle in ihre kutsch. Wie wirdt daß kindt sich zerheüllen, so viel frembte gesichter zu sehen undt bey sich zu haben! Ich höre nichts ungerner in der welt, alß geblar von kindern. Wir werden 6 großer stundt unterwegen sein, umb wider zu kommen, den wir werden schritt vor schritt fahren, erstlich den könig zu begegenen 2 meill von hir; daß wirdt eine ceremonie geben. Darna[c]h wirdt der könig wider in sein kutsch mitt mein sohn undt alle prince du sang sitzen undt nach Paris au Louvre fahren, seine infantin, reine futture, dort zu entpfangen; [337] wir andere aber werden mitt der infantin gar langsam nach Paris fahren, wo man viel schwibbogen auffgericht; ahn jede ehren-pfort wirdt man eine harangue machen, also meint man, daß die ceremonie 5 stundt werden[4] wirdt[5]. Ihr könt leicht gedennken, wie lustig daß vor mich sein wirdt. Gott stehe [mir bei] undt helff mir dießen tag überstehen! Es wirdt gleich 9 schlagen undt man bringt mir in dießem augenblick Ewer liebes schreiben vom 17 Feb[ruari], no 14; also fehlt mir ein schreiben von Eüch, nehmblich daß von no 13. Informirt Eüch doch, liebe Louise, wo es hin kommen [sein] muß! Der hertzogin von Zel todt weiß ich schon lengst mitt allen umbstanden; were sie vor 60 jahren gestorben, were es mir lieber geweßen undt hette viel unglück verhütt[6]. Mein husten ist, gott seye danck, vollig courirt. Wir haben seyder 8 tagen daß schönste wetter von der welt hir gehabt, habe es mir aber nicht konnen zu nutz machen, so ist Paris beschaffen. Hir hort man auch von viellen krancken undt sterbenden. Morgen werde ich die trawer vor der fürstin Ragotzy ablegen, wirdt just 12 tag sein, daß sie gestorben. Wegen der infantin hette ich die trawer doch übermo[r]gen ablegen müßen. Alle außgewacksene leütte haben ordinari mehr verstandt, alß andere, undt man findt wenig buckeliche leütte ohne verstandt. Aber da schlegt es 10, ich muß wider willen schließen undt vor dießmahl … Habe 2 vissitten heütte gethan undt die 2 printzessinen in die ittalliensche commedie geführt, daß macht mich so spätt schreiben. Es wirdt die zukünfftige woche lautter kurtze brieff geben wegen der infantin; aber ich werde doch, keine post fehlen, Eüch zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Februar 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 336–337
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1307.html
Änderungsstand:
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