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Brief vom 28. März 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1315.


[360]
Paris den 28 Mertz 1722 (N. 79).
Hertzallerliebe Louise, vorgestern habe ich auff Ewer liebes schreiben gleich geantwortet, so ich entpfangen hatt[e]; nun komme ich auff ein altes, so ich noch nicht beantwortet habe, vom 10 dießes monts, no 19. Daß Ihr keinen rechten bescheydt von der post bekommen habt, nimbt mich [nicht] wunder. Es ist gar nichts drauff zu sagen, man muß sie gewehren laßen, liebe Louise! den es stehet nichts dran zu endern. Ich sage Eüch allezeit gar richtig, wen ich Ewere liebe schreiben entpfange, kont also woll sehen, waß Eüch oder mir fehlt von unßern brieffen. Wen in[1] in Ewern brieffen sehe, wie es Eüch undt die Ewerigen geht undt daß Ihr, liebe Louise, mich noch lieb habt, findt ich Ewere liebe schreiben ahngenehm genung. Waß frage ich nach den leütten von Franckfort, die ich nicht kene? Mein gott, die [welt] ist [jetzt] leyder [so], außer gar junge leütte, so sich lustig machen, sicht man niemandts, so recht lustig sein kan; ein jedes hatt seine eigene sorg undt qual. Das ist die welt undt gottes willen so, man muß sich woll drin ergeben. Schlagen bekompt ein jedes woll undt gar entpfindtliche noch darzu. Daß sprichwordt vom käutzelein hatte ich noch nicht gehört, da ich doch gar viel sprichwortter weiß auff Teütsch undt auch auff Frantzösch. Viel guts kan man sich nicht berühmen. Ich muß, liebe Louise, alß die elt[e]ste den vortrab in jene welt thut[2], wirdt mir keine gar große mühe [machen], den ich bin schir ahn nichts mehr attachirt, kan mich woll keiner freüde berühmen in nichts. Man zicht sich nichts zu hertzen, aber allezeit langweillige sachen zu sehen undt nichts, so gefelt, daß macht doch daß [leben] sauer auff die lenge. Der ambassadeur von Savoye hatt mir gestern gesagt, daß man gar content von der printzes von Sultzbach ist ahn seinem hoff. Der könig von Sardaignen[3] hatt einen expressen courier ahn seine fraw mutter, Madame Royal[e][4], geschickt, umb ihr [361] zu berichten, wie daß die printzes nun gar gewiß printzes von Piedmont seye undt alles woll abgangen ist. Heütte werde ich noch mehr zeittungen davon erfahren, den in ein par stundt auffs allerlengst werde ich brieff von der königin von Sardaignen entpfangen. Vorgestern habe ich Eüch die andtw[o]rt von madame Dangeau vor ihre fraw schwester, der fürstin von Ussingen, geschickt. Sie werden baldt den trost haben, einander zu sehen, den madame Dangeau wirdt erster tagen zu ihrem h[errn] brudern, den bischoff von Tournay; da hatt die fürstin von Ussingen auch versprochen, hin zu kommen[5]. Dieße freüde kan ich noch begreiffen, sich bey denen einzufinden, so einem verwandt undt lieb sein undt mitt welchen man erzogen worden; finde es ein recht glück, eine solche ahngenehme reiße zu thun können, aber da ist [für mich] nicht ahn zu gedencken. Nichts ist beßer in betrübtnuß, alß distractionen, wozu daß cartten-spiellen vor dem, so es ein wenig liebt, gar nützlich ist. Überall sterben viel, gestern aber habe ich den todt von zwey bekandt[en] leütten erfahren, so aber woll nicht viel weitter gehen konten, den einer war 92 jahr alt undt der zweytte war 96 alt. Der erste war lang abgesanter in Turquey geweßen, ein lustiger, possirlicher man, hatt mich offt lachen gemacht, hatte viel verstandt undt verzehlte woll. Der ander war ein abt, so auß der maß woll auff dem clavesin[6] oder in[s]trument spilt. Es geht, wie in dem lutterischen liedt stehen[7] von Ich hab mein sach gott heimgestelt[8]:
Heütt seindt wir frisch, gesundt undt starck,
Morgen todt undt liegen im sarck;
Heüt blühen wir wie ein roße rodt,
Baldt kranck undt todt,
Ist allendthalben müh undt noht[9].
Liebt graff Carl von Weillburch[10] seine fraw mutter, so solte er mich jammern. Von der hertzwaßersucht habe ich mein leben nicht gehört. Mich deücht, es kommen jetzt kranckheitten, wovon man vor dießem nie gehort. Aber ich muß nun schließen undt mich ahnziehen. Adieu, liebe Louise! Ewer liebes schreiben no 19 ist ordendtlich beantwordt, bleibt mir nur überig, zu versichern, daß ich [362] Eüch von hertzen lieb behalte, liebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. März 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 360–362
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1315.html
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