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Brief vom 15. Juni 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


531.


[256]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 15 Juni 1711.
Hertzallerliebe Louisse, ich glaube, daß ein expres poldergeistgen vorhanden ist, so mich, ahn Eüch zu schreiben, verhindert;[1] den allemahl, wan ich mein, die groste zeit zu haben, kompt alß eine verhinderung. Heütte, da ich meinte, zeit genung zu haben, führt unßer herrgott den englischen hoff her, welcher mich hindern wirdt, exact zu andtworten. Ja, liebe Louisse, die zwey letzte printzen von meiner dochter seindt, gott lob, noch im leben, aber die 3 alsten kinder seindt fort. Ich dancke Eüch sehr vor die gutte wünsch, so Ihr meinen armen überblieben enckeln thut. Mein dochter ist so betrübt über ihre verlust, daß ohne eine sonderliche gnade gottes glaube ich nicht, daß sie sich ihr leben wider wirdt erhollen können. Dieße kinder wahren alle ihre freüde, all ihr trost undt ihre eintzige occupation. Die fraw von Rotzenhaussen hatt selber trost von nohten gehabt, den sie hatt die arme kinder hertzlich lieb gehabt undt nur 8 tag noch vor ihrem todt gesehen. Sie thut doch, waß sie kan, mir die betrübtnuß abzuschwetzen. Es ist mir leydt, daß freüllen Pelnitz nach Berlin ist, aber ich hoffe, [257] daß, wen sie wider kommen wirdt, wirdt sie viel neües mittbringen undt alßo unßere liebe churfürstin desto beßer divertiren. Wie Ihr mir dießes freüllen leben beschreibt, finde ich sie sehr glücklich. Ma tante macht sie glücklich leben, also woll billig, daß sie I. L. darvor divertirt. In Teütschlandt ist der thaw nicht gefährlich, wie hir im landt; mir hatt er sein leben in Teütschlandt nichts geschadt, hir finde ich ihn recht ungesundt undt fieberhafftig. Wir haben hir nun solche abscheüliche hitz, daß, ohne nicht[s] zu thun, weder zu gehen noch zu stehen, habe ich nach dem eßen so geschwitzt, daß ich von hembt undt alles habe endern müßen. Nachtlufft schadt gar nicht. Ich muß enden, den ich habe noch ahn meine arme dochter zu schreiben undt man geht heütte eine halbe stundt eher zur taffel, alß ordinari. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht heb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Juni 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 256–257
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0531.html
Änderungsstand:
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