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Brief vom 13. Mai 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1018.


[114]
St Clou den 13 May 1719. umb 9 morgendts (N. 85).
Hertzallerliebe Louise, morgen kompt mein enckel, die abtißin, mitt mir zu mittag eßen undt nachmittags will ich sie spatziren führen, [werde] also wenig zeit vor mich haben, welche ich ahnwenden werde, ahn mein dochter zu schreiben. Damitt Ihr aber, liebe Louisse, nichts dabey verliehren möget, so fange ich Ewern brieff heütte ahn; den ich habe Eüch gar zu ernstlich versprochen, daß ich Eüch keine post wolle verfehlen laßen, umb dran zu manquiren. Ich habe heütte morgen umb 7 den grünen safft genohmen; der hatt mich schon 3 mahl purgirt, gar starck, undt ein mahl, daß ich wie alle morgen gantz naturlich gangen, daß seindt 4. Wie es weitter abgehen wirdt, sal den tied lehren, wie unßere liebe churfürstin alß pflegt zu sagen. Es matt mich doch ein wenig ab; den vor 8 tagen ließ man mir zur ader, montag undt dinstag gab man mir den safft, so mich jedesmahl 5 mahl purgirt. 3 tag hatt man mir wider ruhe gelaßen, nun undt morgen ist wider der safft vorhanden. Es ist ein widerlicher dranck, so morgendts nüchtern zu schluken ein gutt glaß voll. Der brunenkreß, körbel undt chicorée machen einen dollen bittern geschmack durch einander. Doch nehme [115] ich daß lieber, alß die warme mana[1], so man mir ordinarie pflegt mitt sel vegetal[2] zu geben. Man verspricht mir doch, daß man mich dießen sommer mitt ruhe laßen will. Gott gebe es! Den daß brauchen[3] ist eine widerliche sach in meinem sin, macht mich gritlich. Vorgestern fuhr ich zu madame de Berry, so eine rechte medecin genohmen hatte; sahe bitter übel auß. Ich finde sie in keinem gutten standt, sie kan nicht einen schritten gehen, hatt abscheüliche schmertzen in den schenckellen; mitt einem wordt, ich fürchte, daß die dochtoren[4] ihre kranckheit nicht recht verstehen; sie kan weder eßen noch schlaffen. Es wirdt mir schier bang bey der sach. Sie hatt eine inquietude darbey, will von ort endern; morgen wirdt sie a la Meutte; den sie findt die lufft von Meudon zu subtil. Es ist kein wunder, daß mein sohn,[5] seine gemahlin undt kinder große kranckheitten außstehen; sie seindt gar zu freßig, können sich nicht zwingen. Ich habe woll allezeit geförcht, daß, wen eines von ihnen kranck wirdt werden, daß es eine abscheüliche kranckheit werden würde, wie wir nun sehen. Gott bewahre! Er[6] thut exercitzien, wen er kan, gestern von Meudon, muste aber hir von hembt endern; den er schwitzte, wie ein tantzbeer, wie unßer hertzog von Lotteringen alß pflegt zu sagen. Daß wirdt ihm doch, wilß gott, woll bekommen. Es ist aber auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme vom 25 April, no 33, wo ich letzmahl geblieben war, nehmblich da Ihr mich fragt, waß mich gritlich gemacht hatt. In detail kan ichs nicht sagen, aber en gros ist es eine abscheüliche coquetterie, so mademoiselle de Valois gehabt mitt dem verteüffelten duc de Richelieu; der hatt ihre brieffe schlepen[7] laßen, den er hatt sie nur auß vanitet lieb[8]. Alle junge leütte haben die brieffe gesehen, worinen gestanden, daß sie ihn hir rendevous geben hatt. Ihre fraw mutter hette gern gehabt, daß ich sie wider mitt mir herführen solte, daß ich aber bladt abgeschlagen undt declarirt, daß [116] ich sie mein tag deß lebens nicht mehr bey mir haben will, daß man mich nur einmahl betriegt. Alle tag ist man wieder a la charge[9]; daß hatt mich, wie Ihr woll gedencken könt, gantz gritlich gemacht. Ich habe ein recht abscheü vor daß mensch; es thut mir wehe, wen ich sie sehen muß, welches doch sein muß, umb ein größern esclat zu verhütten; aber daß hertz threhet mir umb, wen ich daß leichtfertig stück sehen muß. Gott verzeye es der mutter! Aber sie hatt ihre döchter woll bitter übel erzogen. Waß mein sohn ahnbelangt, so ist es zwar gutt, daß er die inclination [hat], nicht gern zu straffen; aber wen man obrigkeit ist, so führt man daß schwerdt sowoll, alß die wag undt muß sowoll straffen können, umb gerecht zu sein, alß daß gutte zu recompensiren. Der impertinente duc de Richelieu ist hardy undt fragt nach nichts; er kent meines sohns gütte, ist fier undt gar nicht soumis. Wen man dießem sein recht thet, muste er unter den brügelsuppen sterben; er hatt es doppelt undt 3fach verdient. Ich bin von natur nicht gar cruel, aber diß bürschgen konte ich, ohne einen threnen zu vergießen, hencken sehen; bin recht piquirt gegen dießen Hintzelman[10], haße ihn von hertzen. Ich meinte, ich hette Eüch schon geschrieben, liebe Louisse, daß unßere none zu Chelle abtißin geworden. Man hatt gestern einen courier deßwegen nach Rom geschickt. Ich fürchte, daß der Maintenon todt werden wirdt, alß wie der Gorgone Medussa ihr todt, daß es noch viel monstren produiren wirdt[11]. Were sie aber vor etlich undt dreyßig jahren gestorben, wehren alle arme Reformirten noch in Franckreich undt ihre kirch zu Charenton were nicht rassirt[12]. Die alte hexen, wie die großhertzogin alß pflegt zu sagen, hatt daß alles mitt dem Jessuwitter, den pere de la Chaise[13], … die zwey haben allein daß übel gestifft. [117] Madame Dangeau ist betrübt geweßen, aber es ist nun vorbey; sie ist noch nicht recht; diß jahr können sich die krancken nicht erhollen. Ihr schickt mir so viel schönne sachen, daß es nicht möglich sein kan, daß Ihr mehr, alß mein gelt, müst verthun. Schreibt mir, waß es weytter kost! Soltet Ihr mir schreiben, so will ichs mitt danck bezahlen. Daß buch von den genealogien hatt keine eyll. Aber ich muß nun eine pausse machen. Dießen abendt werde ich Eüch ferner entreteniren, nun aber mich ahnthun.
Sambstag, den 13 May, umb 8 abendts.
Es ist eine halbe stundt, daß ich wieder von Madrit[14] kommen bin. Ich habe mein abendtgebett in der capel vericht, hernach habe ich etwaß in meinem schranck gesucht; daß hatt mich bißher geführt. Ich will Eüch doch noch ein wenig entreteniren. Die Pfaltzer werden woll nichts überig bekommen; den es ist nicht möglich, daß sich noch waß wirdt finden konnen, zu sehen alles[15], waß Ihr mir, liebe Louisse, geschickt habt. Die kleine medaille vom könig in Schweden [habe ich] gar artig gefunden. Hiemitt ist daß überige von Eweren schreiben vollig beantwortet; ich komme auff daß vom 29, no 34. Wie kompts, liebe Louisse, daß der Römer so wenig neües diß jahr hatt? Mir ist es recht [leid], daß man zu Franckfort den woll übersetzten teütschen Virgillius nicht mehr findt, den mir Carllutz s. einmahl gelehnt hatt[16]; aber seyder dem hatt man ihn nicht mehr finden können. Da kompt monsieur Teray undt ermahnt mich, schlaffen zu gehen, weillen es 9 geschlagen hatt.
St Clou den sontag, 14 May 1719, umb ein viertel auff 11 morgendts.
Ich habe schon 12 bogen ahn mein dochter geschrieben. Mein safft hatt mich heütte nicht so starck ahngegriffen, alß gestern; den gestern wurde ich 8 mahl purgirt, bißher nur 3 mahl. Aber ich komme wieder auff Ewer liebes schreiben, wo ich gestern abendt geblieben war. Gleicht die fürstin von Hannau ihrer fraw schwester, der printzes von Wallis, undt hatt sie auch so viel verstandt? Ich habe woll graffen von Vehlen gekandt, aber mein leben kein fürsten von Vehlen; daß ist mir gantz [neu]. Seyder wan seindt sie fürsten geworden? Es ist noch nicht gar lang, daß der s. könig deß graff[17] von Vehlen, so page a la grande escurie wahr, wegen seinen [118] abscheülichen desbeauchen mitt mansleütten wegjagen ließ. Ihm ahnfang kame er zimblich offt zu mir; ich warnte ihn treülich. Aber da kame er nicht mehr zu mir, undt wen er mich begegnet, lieff er davon; ist woll bezahlt worden. Aber man hieß ihn hir nur le comte de Vehlen. Heütte ist es mir ohnmöglich, ahn die fürsten[18] von Ussingen zu andtwortten; den ich habe heütte zu viel zu thun wegen meiner kleinen Pariser reiß vor morgen. Macht wider ein schon compliment ahn I. L. den jungen er[b]printzen von Darmstat! Ich glaub, daß es kein unglück vor dießem herrn ist, nicht in Franckreich zu kommen. Die meisten kommen nicht wieder gar gesundt nach hauß. Ich aber verliehre dran, I. L. nicht zu sehen. Unßer printz von Darmstatt, so wir hir gehabt haben, ist nach Ittallien zu seinem herrn vatter, wo er nun eine stieff fraw mutter finden wirdt, welches den gutten herrn offt seüfftzen macht; hatt mich recht gejammert. Er fürcht, daß seine stieffmutter ihn mitt seinem herr vatter brouilliren wirdt undt auch seine fraw schwester, welche er hertzlich lieb [hat]. Er ist nicht schon, aber er hatt ein gutt gemühte undt viel verstandt. Ahn die erbprintzes von Darmstat bitte ich auch meine dancksagung abzulegen vor I. L. compliment. Fürstlichen, noch gräfflichen weibspersonnen wolte ichs nicht rahten, herzukommen; daß tractement ist zu schlegt undt daß ceremonial undt daß kan der könig allein endern. Ich erinere mich nicht, einen neüjahrsbrieff vom erbprintzen, ihren herrn, bekommen [zu haben]. Zu ahnfang deß jahrs wurde ich kranck, habe es vielleicht damahl entpfangen undt nicht beantworten können undt hernach verlegt worden. Ich werde noch in mein porte-lettre suchen; undt finde ich es, werde ich es noch erster tag beantworten. Wie ihr herr vatter ein kindt war, war er ein schönner bub, hatte die schönsten farben, so man sehen kan. Ich war seine undt deß pfaltzgraffen von Birckenfelt hoffmeisterin; sie furchten mich wie den teüffel; auch ließ ich ihnen nichts vorbeygehen. Ich habe aber dem graff von Hannau sein leben seine heßliche rawe sprach nicht abgewohnen können. Es ist woll augenscheinlich, daß unßer herrgott meinen sohn behütt. Seyder La Chonckchere[19] hatt man noch den conte Delaval[20] in die Bastille gesetzt. Der duchesse de Roquelaure bruder der hatt abscheülich vor den duc du Maine [119] cabalirt. Aber auß dießem allem secht Ihr woll, liebe Louisse, daß ich mitt recht nicht außer sorgen sein kan. Mylord Stair[21] ist den frantzöschen damen zu nahmen[22], welche ihm nicht zum Frantzoßen gemacht, aber woll die Frantzoßen geben haben; er sicht gottsjämerlich auß, ich habe ihn vergangen mitwog in der commedie gesehen; ich sehe ihn sonsten gar selten. Seine fraw hatt sich noch nicht gewießen. Ich habe monsieur Gemingen propossirt, mir seine brieffe zu geben, damitt sie richtiger überkomen mögen. Er hatt es noch nicht gethan; war doch vorgestern hir, kompt nun fleißiger zu mir, alß im ahnfang. Von monsieur Gueneau sage ich nichts mehr, habe schon vergangen donnerstag drauff geantwortet. Freyllich habe ich ahn waß anderst, alß monsieur Gueneau, zu gedencken. Der diebstall ist all poßirlich; vor die invention hette man dem dieb verzeyen soll[en]; doch ein wenig gebadt, seine schlage abzuwaschen, kan nicht viel schaden. Nun wirdt baldt mein enckel, die abtißen, ahngestochen kommen; den sie wirdt heütte mitt mir zu mittag eßen. Ewer letztes liebes schreiben ist auch vollig beantwort, muß also schließen undt mich ahnziehen. Dieße epistel ist auch lang genung, umb vor dißmahl nichts mehr zu sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, so lang ich lebe, hertzallerliebe Louisse!
Umb 3 uhr nachmittag, sontag, den 14 May.
Ich komme von taffel undt entpfange Ewer liebes schreiben vom 2 May, no 35, darauff ich heütte nicht andtwortten werde, sondern vor ein ander mahl sparen. Heütte kan ich ohnmöglich darauff andtwortten, doch nur sagen, daß die kauffleütte Les Fillieuls nicht gelogen haben. Ich habe ihnen befohlen, Eüch meinetwegen zu grüßen. Daß biribi ist ein ittalliensch spil[23], ein art von hoca[24].
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. Mai 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 114–119
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1018.html
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Tintenfass