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St Clou den 6 December 1721 umb halb 9 morgendts (N. 47).
Hertzallerliebe Louise, nun komme ich, mitt rechten betrübten
hertzen von St Clou adieu zu sagen; den gleich nach dem eßen
werde ich nach Paris, gleich meine schuldigkeit bey dem könig
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ablegen, darnach ins Palais-Royal, mich trawerig einrüsten. Gegen
abendt werde ich in die ittalliensche commedie gehen, umb zu
suchen, meine grillen ein wenig zu vertreiben. Gleich nach der
commedie werde ich zu nacht eßen undt dan gleich zu bett. Ich komme
jetzt auff Ewer liebes schreiben, so ich vorgestern entpfangen, vom
22 November, no 84. Dieße schlime gewohnheit, meine brieffe alß
zwey undt zwey zu geben, wirdt woll nicht abkommen. Bey mir
habens sies
[1] doch abgeschafft, den wie Ihr segt, liebe Louise, so
bekomme ich jetzt Ewere schreiben alle eins nach dem eßen
[2]. Von
den brieffen undt ceremonien will ich nichts mehr sagen, den das
ist, gott lob, vorbey. Die freüde von mademoiselle Mon[t]pensier
heüraht ist ein vergnügen, aber nicht von denen freüden, so lachen,
hübffen undt springen machen, liebe Louise! Mademoiselle de
Mon[t]pensier kan man nicht heßlich heyßen, sie hatt eine glatte
haut, hübsche augen, die naß ging auch woll hin, wen sie nicht zu
eng were, der mundt ist gar klein. Aber mitt dießem allem ist es
daß unahngenehmbste kindt, so ich mein leben gesehen, in allem,
in maniren, in reden, in eßen undt drincken, es macht einem
[3] recht
ungedultig, wen man sie sicht
[4]; habe woll keine threnen vergoßen,
noch sie auch nicht, wie wir unß adieu gesagt haben. Ich [habe]
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in Spanien ein stieff-dochter
[5], ein stieff-enckel
[6] undt jetzt ein enckel,
so königinen in Spanien geweßen undt sein werden. Die liebste
von allen war die stieff-dochter, die habe ich von hertzen geliebt,
alß wen sie meine schwester were; den meine dochter konte sie
nicht sein, ich hatte nur 9 jahr mehr, alß sie. Ich war noch gar
kindisch, wie ich herkame, wir haben mitt einander gespilt undt
gerast; Carl[l]utz s. undt der kleine printz von Eissenach, wir haben
offt ein solch geraß gemacht, daß man nicht bey unß hatt daweren
[können]. Es war eine alte dame hir, so madame de Fiene
[7] hieß, die
haben wir erschrecklich geplagt; sie hörte nicht gerne schießen undt
wir warffen ihr immer petar[d]en
[8] in den rock, welches sie
verzweyffelte, lieff unß nach, umb unß zu schlagen, daß war der groste
spaß. Solte es war sein, daß der infant von Spanien eine
ertzhertzogin heürahten solte undt graf Mansfelt noch im leben sein,
würde ich kein har vor deß printz undt printzes des Asturie[s]
leben geben; den er hatt so gewiß unßere arme liebe königin
vergifftet, alß ich hir schreibe
[9]. Im keyßerliche[n] raht ist man gar
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nicht scrupuleux auff solche sagen
[10], ohne der keißer wißen schicken
sie die leütte in jene welt
[11]. Ich erfrewe mich mitt Eüch, liebe
Louisse, die freüde zu haben, die fraw von Degenfelt wider zu sehen.
Ich habe allezeit verspürt, daß Ihr sie lieb habt. Wie ich höre,
so solle Ewere niepce älter außsehen, alß sie ist; aber daß
magersein mag woll dazu contribuiren. Es wirdt Eüch ant thun nach
Ewer kleinen niepce. Große undt kleinen finden hirmitt meinen
gruß hirin. Frag ich den mehr darnach, wie es zu Franckfort
hergeht, alß waß Eüch betriefft, liebe Louise? Daß wer ein irtum. Ich
muß schließen, es ist zeit, in die kirch zu gehen, kan also in eyll
nicht mehr sagen, alß daß [ich] madame de Dangeau ihrer fraw
schwester brieff geschickt habe. Adieu! ich ambrassire Eüch undt
behalte Eüch allezeit von hertzen lieb.