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Marly den 22 Julli 1714.
Hertzallerliebe Louise, gestern abendt bin ich mitt Ewerm
lieben schreiben vom 7 Julli erfreüet worden. Ich kan nicht
begreiffen, wie es kompt, daß ich Ewere liebe schreiben so richtig
entpfange undt Ihr keines von den meinigen, da ich alle die, so
ich von Eüch bekommen, gar exact beantwortet habe. Ich habe
monsieur de Martine gebetten, zu erforschen, woran es ligt, den
außer einen hatt er sie alle bestelt. Liebe Louisse, Ihr segt durch
waß ich hir sage, daß es meine schuldt nicht ist, daß Ihr keine
zeittung von mir habt. Ich bin selber verwundert, wie ich mich
noch so woll befinde, nachdem ich so erschrecklich innerlich leyde.
Ich habe keine andere incomoditet, alß daß ich mühe, nachts in
meinem bett zu schlaffen, habe, aber nachmittags werde ich sehr
schläfferig, schlaff auch offt. Daß ist alles, liebe Louise, waß ich
Eüch von meiner gesundtheit sagen kan, aber Ihr sagt nichts von
der Ewerige, [liebe] Louise, noch wie es mitt Ewerm geschwer im
ohr geht, da ich doch sehr in sorgen vor bin. I. L. der churfürst
von Braunsweig, mein oncle s., hatte einmahl, wie ich noch zu
Hannover war, ein geschwer im ohr. Die gutte fraw von Harling
war damahlen noch meine hoffmeisterin, die ließ ein schwartz brott
backen, worinen man lorber in den teich gethan mitt blätter undt
blumen undt kern, undt daß schnitte sie in der mitten auff undt
ließ es oncle so heiß, alß er es leyden konte, vor daß ohr halten;
in kurtzer zeit brach es auff, da hatte I. L. s. gar keine schmertzen
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mehr.
[1] Ich glaube nicht, daß Eüch dießes schaden könte, wen
Ihr es versuchen soltet; jedoch so examinirt erst Ewern docktor
hirauff! Den offt, waß einem gutt ist, schadt dem andern, wie man
taglich erfähret. Ach, liebe Louisse, hette ich kein andere
betrübtnuß, alß die, daß madame de Berry zu frühe ins kindtbett kommen
undt eine dochter bekommen,
[2] so were ich leicht zu trösten. Daß
gutte kindt ist woll versorgt undt gar gewiß bey unßerm herrgott,
die mutter ist frisch [und] gesundt. Ich finde sie auch nicht
unglücklich, ohne man undt kinder zu sein; sie hatt einen größern
rang, alß sie jemahls hette wünschen mögen, ist die erste in
Franckreich, hatt deß jahr[s] 2 mahl hundtert undt 50 m. francken mehr
einkommen, alß ich;
[3] ich habe nur 450 m. francken undt sie hatt
700 m., [ist] also, wie Ihr segt, sehr reich undt ihr hauß ist nicht
größer, alß daß meine, [hat] also viel überflüßig. Sie ist gesundt
undt jung, so geliebt von vatter undt mutter, daß sie mitt ihnen
machen kan, waß sie [will], hatt alles die fülle, jouwellen undt
meublen, kan also nicht sehen, worinen ihr unglück bestehet. Were
sie königin, hette sie nur mehr zwang, were aber nicht glücklicher.
Wirdt Eüch monsieur de Wersebé meine schreiben, so ich ihm ahn
ma tante geben, schicken, so werdet Ihr noch mehr vernehmen
können. Ich dancke Eüch, liebe Louisse, vor mich zu betten
wollet.
[4] Ich habe es warlich hoch von nöhten, daß gutte undt
fromme seelen, wie die Ewere ist, vor mich betten mögen, damitt
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mir der allmächtige gnädig mag werden. Ich setze doch mein
eintzig vertrawen zu meinem gott, daß erhelt mich auch. Zu
verliehren, waß man ehret undt liebet, daß sein die groste unglück in
dießer welt, den da ist weder hülff noch mittel zu. Ich habe dießen
unßern verlust, seyder ich alle die meinigen verlohren, vor daß,
gröste unglück geschätzt. Wie ich vorm jahr so kranck war, war
mein einiger tost, dießes unglück nicht zu erleben, aber es ist
gottes willen nicht geweßen. Ich glaube nicht, leyder, etwaß gutts
außgericht zu haben vor unßer liebes vatterlandt.
[5] Der könig war
zwar nicht gar übel intentionirt, allein die minister, welchen I. M.
mehr glauben, alß mich, wißen die sachen so zu threhen, daß, waß
man auch sagen kan, wenig hilfft. Der herr Zachman muß nicht
zu meiner zeit zu Heydelberg gewest sein, den ich erinere mich
dießen nahmen gar nicht. Ich glaube auch nicht, daß ich den
pfarher kene, der Carl Edewardts
[6] informator geweßen, aber sie
müßen gutte Pfaltzer sein undt alle gutte Pfältzer seindt mir,
obschon unbekandt, lieb, den die arme Pfaltz ligt mir recht ahm
hertzen.
[7] Ich bin alß verwundert, wie so viel leütte den caffe
lieben, der einen so bitter übellen geschmack hatt. Ich finde, daß
er eben schmeckt wie ein stinckendter ahtem;
[8] der verstorbene
ertzbischoff von Paris hatt ebenso gerochen, daß eckelt mich. Ich
kan mir leicht einbilden, welche eine angst Ihr müst außgestanden
haben, die gutte Pfältzer in solcher gefahr zu sehen; bin froh, daß
es woll abgangen. Eine blawe handt
[9] ist daß geringste, so ihnen
widerfahren können. Daß ist ein glück, jung zu sein, den erfrewet
alles; die junge leütte kenen die gefahr nicht, alleß kompt ihnen
possirlich vor. Ich glaube, daß ein gutter drunk purer wein
beßer, alß daß golt-pulver, vor den schrecken geweßen. Daß war
deß gutten, ehrlichen monsieur de Polier seine maxime undt er
hatts woll verstanden, ist 92 jahr alt worden undt kein augenblick
kindisch.
[10] Ich kan keine situation schön finden, wo kein fiießendt
waßer ist. Es ist war, daß das brodt abscheulich theüer hir
geweßen, aber daß korn stehen
[11] nun so schön, daß man hoffnung hatt,
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gar ein gutt jahr zu haben in korn undt wein. Broglio ist gar
ein gutter, ehrlicher mensch,
[12] ich halte viel von ihm. Ich keine
famillie,
[13] vatt[er], tanten undt brüder, aber er ist der beste von
allen. Ich erinere mich noch gar woll, daß die lufft vom Rhein
schwartz [macht], bin offt drüber gefiltzt worden zu Manheim, wen ich
mein masquen zu früh auffgestülbt hatte. Ich habe die experientz
davon, daß es gutt ist, nach dem schrecken ader zu laßen. Ihr
habt aber auch woll recht, Eüch keinen ungeschickten balbirer zu
vertrawen. Mein balbirer, so Carer heist, lest über die maßen woll
zur ader, aber ich erlaube ihm aber auch, allezeit im exercitzien
zu bleiben, undt gantz Paris lest er zur ader. Aber man rafft mich,
es ist zeit, in kirch zu gehen; dießen nachmittag aber werde ich
follendts auff dießen brieff andtworten.
Sontag den 22 Julli, umb 3 uhr nachmittags.
Ich habe heütte gar spatt zu mittag geßen, den nach der kirch
habe ich meines sohns gemahlin eine vissitte geben. Sie helt die
cammer, weillen sie schwanger ist undt man ihr vor 7 tagen zur
ader gelaßen hatt, bin lang droben blieben. Nach dem eßen habe
ich caffé genohmen; daß hatt mich so unerhört schwitzen machen,
daß ich mich von haubt zu füßen habe anderst ahnthun müßen
undt die haar kammen undt poudern laßen, drumb fang ich wider
ahn, so spät zu schreiben. Liebe Louise, seydt versichert, daß
Ewere liebe schreiben mir gantz undt gar nicht langweillig
vorkommen, sondern recht ahngenehm sein! Bitte, nur zu continuiren,
werdet mir einen rechten gefahlen dran thun undt werde fleißig
andtworten. Ihr habt mir offter geschrieben, alß Ihr meint, liebe
Louisse! Den diß ist der 4te brieff, so ich von Eüch seyder unßer
alzu großes unglück entpfangen undt beantworte, undt ich habe
Eüch noch vorher undt so baldt ich unßer unglück erfahren, über
Hannover geschrieben; also ist dießer der 5te, so Ihr von mir
seyder unßere betrübtnuß entpfangen müst. Ich finde doch, daß Ihr
glücklicher seydt, alß ich; den erstlich seydt Ihr Ewer eygen herr,
könt hin, wo Ihr wolt, zum andern seydt Ihr bey dem lieben Rhein
logirt undt in der gutten Pfaltz, zu dem so könt Ihr ohne zwang mitt
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Ewern gutten freunden leben, eßen undt drincken, mitt wem Ihr
wolt, daß ist doch tröstlich. Ich habe von aller grandeur nichts,
alß den zwang, welches gar nichts ahngenehmes ist. Wir haben
gar nichts neües hir. Vergangenen montag war deß duc de Berry
begräbnuß; mein sohn hatt es nicht außstehen können, hatt den
könig gebetten, ihn von der ceremonie zu dispensiren, welches auch
geschehen ist.
[14] Ich will Eüch die andtwort von der churprintzes
auff ein fligendt papir schicken. Adieu, liebe Louisse! Ich
ambrassire Euch undt versicher, daß ich Eüch von hertzen lieb habe
undt allezeit behalte.