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A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.
St Clou, sambstag, den 25 April 1721 (N. 85).
Hertzallerliebe Louise, heütte hoffe ich auff Ewer liebes [090] schreiben vom 11 dießes monts zu antworten, wie ich Eüch vergangenen donnerstag versprochen, daß[1] ich, liebe Louise, Ewer paquet zu spät entpfangen hatte, umb drauff zu andtwortten können. Es wirdt nun auff der post sehr die mode, die brieff[e] zwey undt zwey auff einmahl zu geben; vergangen mitwog bracht man mir auch zwey schreiben auff einmahl von der printzes von Wallis, habe gestern auch auff zwey geandtwortet. Ey, liebe Louise, meint Ihr, daß ich eine post fehlen kan, nachdem ich Eüch so ernstlich versprochen, keine zu fehlen, ich seye den lahm, kranck oder gar todt? Würde ich, da gott vor sey, lahm oder gar kranck, würde ich doch Lenor bitten, es Eüch zu berichten; stürbe ich aber, so würdet Ihr es schon durch daß gemeine geschrey erfahren; da kan kein mensch sicher vor sein. Eine, so von meinen freüllen geweßen undt schir alle tag zu mir kommen, wie ich zu Paris war (sie hieß mademoiselle de Poitié[2]), die hatt mir vergangen mitwog adieu sagen laßen undt ist donnerstags umb 4 nachmittags gestorben. Ob sie zwar nicht von denen von meinen freüllen war, so ich ahm meisten geliebet, so jamerts mich doch recht undt hatt mich gestern trawerig gemacht. Ich habe sie so im kopff, daß ich die gantze nacht von ihr getreümbt habe. Ich habe Eüch schon, wie ich glaube, vergangen donnerstag bericht, liebe Louise, wie ich mich hir schon viel beßer hir befinde, alß zu Paris, undt mein kopffwehe mir gleich selbigen abendt vergangen, wie ich herkommen bin. Ich schlaffe auch viel beßer hir, alß zu Paris; mich deücht auch, ich habe gestern ahngefangen, wenig[er] eckel vor dem eßen zu haben, alß ich gehabt; suma, liebe Louise, ich bin ohne vergleichung ruhiger undt beßer hir, alß zu Paris. Daß wetter ist auch seyder gestern nicht mehr so kalt undt rau, alß es geweßen; es fri[e]rt nicht mehr undt der nordtwint hatt sich, gott lob, gelegt; hoffe, daß es nun ernstlich frühling werden solle. Wen ich frühling sage, so dencke ich allezeit ahn meinen armen bruder s., wie er Silvius war undt Gendt Mirtillus[3]; daß macht mich doch gantz trawerig, wen ich dieße glückliche zeitten betrachte undt wie sie nun vorbey; kan also mitt Mirtillus sagen:Ach, früling, deß jahres jugendt, schöne mutter der blühmen, der grünen kreütter undt der neüen liebe, du [091] kommst zwar wider herbey, aber die holden undt glückseelichen tagen meiner freüde kommen nicht wieder; die seindt leyder lengst vorbey, aber ahnstadt freüden finden sich betrübtnuß, angsten undt sorgen.Waß mein sohn mihr hatt zu Paris durch seine kranckheit außstehen machen, ist nicht zu beschreiben; aber daß ist nun, gott seye danck, vorbey; gott wolle unß ferner helffen! Ihr habt gar woll gerahten, liebe Louise, daß die gutte lufft von St Clou mich wider ersetzen würde. Morgen werde ich zwar wider nach Paris, aber abendts widerkommen, also wirdt mir die lufft nicht viel schaden. Ich werde morgen umb 3/4 auff 9 von hir, umb ein bischofflich sacré[4] zu sehen von einem jungen prister, welchen ich von hertzen lieb habe, zu ehr[e]n; auch gehe ich nicht auß vorwitz hin, sondern meinen lieben St Albin[5] zu gefahlen, so mich drumb gebetten. Bin recht froh, daß er duc et pair geworden ist undt jetz[t] zu leben hatt alß ein großer herr. Ich habe ihn lieber, alß seinen bruder, den grand prieur[6]; der gefelt mir gar nicht undt sein schwester[7] gefelt mir auch nicht sonderlich; seindt gar zu alamodisch in allem. Aber ich muß mi[c]h nun ahnziehen; dießen nachmittag werde ich Eüch weitter entreteniren, liebe Louisse! Ein brieff, so ich ahn unßere abtißin von Schelle[8] habe antwortten müßen …